Digitalisierung in der Küche. Anzugtragende Männer. Storagemanagement. Zuerst habe ich eine ganze lange Weile nur gelacht. Laut. Mich auf dem Boden gerollt. Das Video erneut abgespielt. Und noch ein drittes Mal. Geschluckt. Mir die Augen gerieben. Den Kopf geschüttelt. Ich vermute, es ist vielen so gegangen, die das Image-Video von BSH Hausgeräte auf deren Facebook-Kanal angeschaut hatten. Erst dann wurde mir klar, dass der Film ernst gemeint war. Mein Kollege Mark Lambertz hat die kommunikative Dimension schon hier detailliert und stimmig beleuchtet, daher will ich nur rudimentär ergänzend auf den Inhalt und dann ausführlicher auf das größere Ganze blicken. Vielleicht vorweg noch: Mir ist nicht daran gelegen, BSH zu dissen, weil ich in Bashing verschenktes Potential zum Dialog und zur Entwicklung sehe. Nein, im Gegenteil, dieser Post ist als Anregung und konstruktive Kritik zu verstehen.
Der Film – Ist das ein Gespräch?
Für den Zuschauer soll das Filmchen wie ein locker flockiges Gespräch einer Gruppe von Insidern aussehen, die wissen, wie der Hase läuft und so kommt es vordergründig auch rüber. Das Problem an der Sache: Es ist kein Gespräch. Es ist ein Absetzen sprachlicher Laute, deren Informationsgehalt gleich Null ist. Das liegt zuerst natürlich am lauthals belachten Denglish-Business-Sprech (Anzahl und Inhalte der Kommentare in den Social-Media-Kanälen sprechen Bände). Um Informationsgehalt zu haben, müsste das sogenannte Gespräch didaktisch aufeinander abgestimmt sein, ein sprachliches Konzept sichtbar werden.
Das ist nicht der Fall, die einzelnen Äußerungen werden zusammenhangslos hintereinander vorgetragen. Selbst die Frage eines Akteurs an seinen Kollegen verbindet den Kontext nicht, weil der Angesprochene nicht auf die Frage antwortet, sondern sein eigenes Thema artikuliert. Wie gesagt, auf das Setting – Anzugträger in steriler Umgebung, Businesskasper-Denglisch, will ich nicht eingehen. Das Ding ist gerade wegen der Absurdität und Konstruiertheit des Films viral gegangen. Das ist aus marketingtechnischen Gründen klasse, die fachlich-unternehmerische Dimension dahinter ist es leider nicht. Warum?
Wer ist BSH?
„Die BSH Hausgeräte GmbH ist der größte Hausgerätehersteller in Europa und eines der weltweit führenden Unternehmen der Branche.“ Mit dieser eigenen Aussage von BSH ist fast alles gesagt – die GmbH ist kein kleiner Mittelständler, sondern ein Großunternehmen, ein Global Player. BSH war seit 1967 ein Venture der Firmen Bosch und Siemens, bei dem die Sparte Hausgeräte ausgelagert und zusammengeführt wurde. 2015 trennten sich die beiden und BSH ist seitdem eine 100%ige Bosch-Tochter. BSH ist Markenlizenznehmer sowohl für Bosch und Siemens als auch für Neff, Gaggenau und weitere Marken und produziert weltweit. BSH beschäftigt rund 56.000 Mitarbeitende insgesamt, davon rund 16.000 in Deutschland.
Die Crux mit der sinnvollen Technologie
Vernetzte Haushaltsgeräte – das ist die Welt und die Filterblase, in der BSH (übrigens nicht alleine, andere Haushaltsgerätehersteller sind auch auf dem Trip) sich augenblicklich befindet. Ihr Portfolio an Haushaltsgeräten wird digital gepimpt, indem es mit dem sogenannten „Home Connect“ (einer App, die markenunabhängig Geräte vernetzen kann) ausgestattet wird und der geneigten Kundschaft ein digitales Wunderland liefern soll, das im Supermarkt beginnt: Ein Blick aufs Smartphone zeigt den Kühlschrankinhalt. Wasch- und Spülmaschine lassen sich per App fernsteuern und der Backofen bekommt Rezepte übermittelt.
Ich bin nicht generell gegen intelligente Geräte im Haushalt, die Betonung liegt allerdings auf „intelligent“. Die Fernsteuerung von Technik ist generell nicht neu und macht u.a. bei der Heizungssteuerung durchaus Sinn in Bezug auf Komfort und Energieverbrauch. Kaffeemaschinen, die man vorprogrammieren kann, gibt es schon seit Jahrzehnten. Schauen wir uns aber vielleicht einmal die Produktwerbung für „Bosch Home Connect“ an:
„Ihre Teller können Sie nun auch mit Ihrem Tablet spülen. Erleben Sie einen Geschirrspüler, der Bescheid sagt, wenn der Klarspüler zu Neige geht.
Suchen Sie das aktuell benötigte Spülprogramm einfach und bequem per Home Connect App aus – ganz ohne umständliches Blättern in der Bedienungsanleitung.
Geschirrspüler mit Home Connect informieren Sie direkt über die App, wenn beispielsweise der Klarspüler zu Neige geht – so können Sie rechtzeitig Nachschub besorgen.“
… und direkt danach das Image-Video:
Allererste Fragen, die sich danach für mich stellen: „Waschmaschine und Spülmaschine laufen autonom, ich kann sie starten, bevor ich aus dem Haus gehe. Warum sollte es notwendig sein, sie von unterwegs zu steuern? Welcher Mehrwert soll für den einzelnen Kunden dahinterstecken? Um die Waschmaschine von unterwegs zu bedienen, muss sie außerdem vorher jemand befüllt haben. Die steuerbare Kaffeemaschine braucht einen Kaffeebecher, den ich irgendwann vorher unter den Auslauf gestellt habe. Die Milchdüse sollte vielleicht auch vorher auf Sauberkeit inspiziert werden.
Was mache ich mit meinen abschaltbaren Steckdosen, zu denen mir mein Energieversorger geraten hat, damit ich als umweltbewusster Mensch Energie spare? Sind diese Steckdosen aus, nützt mir die Fernbedienung per App überhaupt nichts – die Geräte müssten dauerhaft im (energieverbrauchenden) Stand-by gehalten werden, damit das Konzept funktioniert. Ist dieser Verbrauch in der Effizienzberechnung der Geräte berücksichtigt? Eine Bedienungsanleitung lese ich üblicherweise nur einmal zu Beginn, danach weiss ich, wie ein Gerät funktioniert. Warum sollte ich mich mit dem Mobile vor die Spülmaschine stellen und sie steuern (Dame im Video) – dafür gibt es doch die Bedienleiste am Gerät selbst?“
Das Ding mit dem Silo-Denken
Wer denkt sich so etwas aus? Spielen wir Mäuschen und denken uns in den operativen Alltag von BSH hinein, wird uns schnell klar, was da passiert ist: die Geschäftsführung hat an einer der neuerdings beliebten Touren nach Silicon Valley teilgenommen, man hat sich von Amazon Echo beeindrucken lassen, von Smart Living und hat von selbsternannten Next Future Lobbyisten gehört, dass die Digitalisierung demnächst in den Lifestyle Einzug hält. Vielleicht weiß man auch, dass es bereits seit den 1990ern im Elektrobereich Ideen und Ansätze gibt, wie man Technik im Haus vernetzen könnte. Es gab also eine kausale Rückkopplung, d.h. man hat die Silicon Valley Utopien mit bereits vorhandenem Vergangenheitswissen abgeglichen und konnte sich vorstellen, dass die Digitalisierung „genau so kommen wird“.
Danach setzte man sich im „Leadership“-Kreis zusammen und „brainstormte“. Herausgekommen sind Innovationen, d.h. kleinste „Verbesserungen“ des bisherigen Portfolios. Die Ideen der Führungskräfte hat man den Entwicklern, den Ingenieuren, den Marketingfuzzis und den Vertriebsleuten verordnet – Top-Down. Jede Abteilung für sich hat nun in die eigenen Prozesshandbücher geschaut und prozessgetreu umgesetzt. Vielleicht hat man zusätzlich einem kleinen Kreis ein paar Workshops Design Thinking spendiert, um die „Customer Centricity“ zu planen. War es so?
Das Ding mit der Hierarchie
Ja, ich vermute, es ist so ähnlich abgelaufen. Denn genau dieses Ergebnis zeigt sich sowohl im Imagefilm, als auch in der Werbung für Home Connect. Wäre das Ganze als Open Space, Barcamp oder irgendeinem anderen partizipativen Format auf Augenhöhe initiiert worden, dann hätten sich vermutlich Fragen ergeben wie: „Beim Kochen habe ich doch schmutzige Finger. Warum sollte ich mit diesen auf meinem Smartphone herumtippen?“, „Dass Klarspüler fehlt, sehe ich doch an dem kleinen roten Lämpchen an der Spülmaschine, wozu dafür eine App?“, „Wenn ich den Backofen fernsteuern kann, muss ich ja vorher alle frischen Zutaten in eine Backform geben. Aber die vertrocknen mir ja, wenn ich das morgens mache und den Ofen erst nachmittags einschalte.“
Also, sehr pragmatische Fragen, die nicht gestellt werden können, wenn erstens das „System Haushalt“ nicht in Gänze und in der Lebenspraxis betrachtet wird, sondern nur der eigene Abteilungsbereich und zweitens wenn Mitarbeitende es gewohnt sind, nur im Unternehmensuniversum zu denken. Dies ist umso mehr der Fall, je stärker das eigene Lebensmodell Beruf und Leben trennt.
Gute Ansätze der Veränderung
Dennoch ist nicht alles so schwarz-weiss wie es scheint. BSH ist kein unbewegliches Schiff. Man unternimmt etliche Anstrengungen, um den digitalen Wandel zu vollziehen und die Richtung sieht gut aus: Es wurde ein Hackathon veranstaltet, um Home Connect zu entwickeln. Für die Ergebnisse daraus wurden Preisgelder ausgelobt. Das ist ein guter, kleiner erster Schritt in Richtung Partizipation. Im Detail kann da noch sehr Vieles verbessert werden, aber es ist ein Anfang.
Am Standort Giengen wurde ein „Project Center“ gebaut und eröffnet, in dem agile Arbeitsmethoden getestet werden – in Ordnung! Weiter so!
Digitales Denken braucht disruptive Ideen
Wie war das nochmal mit der Digitalisierung? Bei der Idee von Home Connect zeigt sich, dass die Tragweite der Digitalisierung nicht verstanden wurde, bzw. sie nur verkürzt wahrgenommen wurde. Digitalisierung wird hier verstanden als die Verbesserung von Technik, d.h. man bleibt in der Logik von Automatisation stecken. In einer vernetzten Welt geht es jedoch nicht um Automation, sondern um Digitalisierung und die hängt nicht an Produkten, egal wie vernetzt sie sind, sondern an Menschen in Systemen. Digitalisierung ist eine gesellschaftliche Frage und sie braucht ein digitales Mindset. D.h. es muss disruptiv gedacht werden, alte Vorstellungen von Technik über Bord geworfen werden.
Der Kunde hat kein Problem, welches alleine mit Produkten gelöst werden könnte. Wer nur den Kunden in seinem Lebensumfeld fokussiert (und denkt, dass Sinus-Milieus und Limbic Map Blaupausen wären), verliert den Blick für wirtschaftliche, klimatische, politische und gesellschaftliche Zusammenhänge und deren Wechselwirkungen. Die Kundschaft (ebenso wie Mitarbeitende und alle Stakeholder) benötigt ein digitales Ökosystem, in dem sie sich sicher bewegen kann, damit die analoge Welt funktioniert und wir uns in dieser wertschätzend mit anderen irdischen Stakeholdern (Natur, Lebewesen, Klima) bewegen können.
In einem Beitrag zum Thema Lean Management betrachten Prof. Dr. Andreas Syska, Ralf Volkmer und Dr. Winfried Felser sehr anschaulich 5 Irrtümer der Industrie 4.0:
http://www.lean-knowledge-base.de/industrie-4-0-fuenf-irrtuermer/
Zwei Szenarien einer disruptiven Zukunft
Ich will zwei nahe Zukunftsszenarien aufmachen, die schon heute sichtbar sind, um zu erklären, warum die „Home Connect“-Idee zu kurz greift. In einigen Facebook-Posts klingt es bereits an: „Braucht man in Zukunft noch Kühlschränke?“
Szenario 1 – Kochen und eigene Vorratshaltung werden überflüssig
Exakt diese Frage kann ein Ausgangspunkt für eine disruptive Entwicklung sein – die eigene Küche im Kontext urbanes Umfeld. Man darf davon ausgehen, dass sich der Trend der wachsenden Urbanisierung fortsetzen wird und dass sich damit auch die Infrastruktur verändern wird. Heute hat traditionsgemäß noch jeder Haushalt eine eigene Küche. Regelmäßiges frisches Kochen ist dennoch nicht die Regel, der Kühlschrankinhalt sieht nicht annähernd so aus, wie es die Werbefotos suggerieren. Im schnellen Alltag sind Fertigprodukte oder die „fixen“ Helfer im Zweifel schneller zur Hand. Oder auch das vegetarische Döner um die Ecke. Aber auch gestresste Familien in der sogenannten „Rush Hour des Lebens“ haben wenig Muße, immer frisch zu kochen.
Lieferservices für Fast Food gibt es schon lange und das Angebot wird vielfältiger (z.B. Lieferando, Foodora). Ergänzend bieten Supermärkte heute schon Lebensmittellieferungen an. Und ja, ein paar rudimentäre Ansätze zum Drucken von Essen per 3D-Druck gibt es auch.
Schielt man auf die amerikanischen Player, hat man vielleicht schon von Amazon fresh gehört, ein vollständiges Logistiksystem, welches Lebensmittel innerhalb der erforderlichen Kühlkette an die Haustüre liefern wird. Die Logistikbranche experimentiert mit Lieferungen in Auto-Kofferräume, mit Lieferrobotern und –drohnen. Natürlich ist alles noch im Labor-Modus, aber diese Zukunft ist bereits sichtbar und am Ende wird es daraus hinauslaufen, dass Logistik und Handel sich vollständig vernetzen. Wahlweise bestellt man dann relativ spontan und kurz bevor man daheim ankommt seine Lebensmittel – frisch oder bereits zubereitet. Und sie werden „Just in time“ (ein Logistikbegriff aus den 1990ern) an die Haustüre geliefert.
Und wenn es nicht amazon ist, dann ist es die Adaption der Uber-Idee auf Lebensmittel. Jeder kann sich mit seinem eigenen Auto als Lebensmittellieferant auf einer Plattform registrieren und buchen lassen – im schlimmsten Fall wie bei Uber als Freelancer und ohne soziale Absicherung. Braucht es in diesem Szenario noch Kühlschränke oder Backöfen? Verbringe ich in diesem Szenario tatsächlich Zeit im Supermarkt? Gibt es dann noch Supermärkte für Endverbraucher?
Szenario 2 – Wohlstandsbäuche aufs Land
Das zweite Beispiel fällt positiver für die Gerätehersteller aus, weil in diesem die Hausgeräte noch absatzfähig sind. Nehmen wir in diesem (deutschen) Szenario an, dass erstens die Wohlstandsbäuche genug vom feinstaubbelasteten, urbanen Leben haben und aufs Land ziehen. Dort gönnen sie sich zum gleichen Preis, den sie für ihre Stadtwohnung im gentrifizierten Szenebezirk bezahlten, ein neugebautes Eigenheim. On Top und weil man am Dorfstammtisch damit Eindruck schinden kann, wird in ein vollvernetzes Smart Home mit Storagemanagement, Remote-geflashten regionalen Grillrezepten und Realtime-Garzeit-Gelinggarantie investiert. Mit programmierbaren Lichtschaltern, die auch das Wetter voraussagen können, mit automatisierter Gesichtserkennung für die Katze und einem selbstfahrenden Aufsitzrasenmäher, der erkennt, wann das Gras zu hoch ist.
Zweitens mutiert im urbanen Raum der Kühlschrank zum Lifestyle-Accessoire schlechthin, welches jährlich durch das neueste Modell ersetzt werden muss. In beiden Lebenswelten braucht sich also der Hersteller um den Absatz der Geräte nicht zu sorgen.
Das Ende des Produktlebenszyklus
Nehmen wir an, dass in diesem Szenario keine geplante Obsoleszenz eingebaut wird und die Geräte tatsächlich eine gute Dekade oder länger halten. Was passiert dann? Bereits heute ist die Entsorgung von Hausgeräten nicht mal eben erledigt. Haushaltsgeräte werden seit 2006 der Kreislaufwirtschaft zugeführt, d.h. Elektrogeräte gehören auf den Wertstoffhof. Der Begriff „Kreislaufwirtschaft“ in diesem Zusammenhang ist etwas missverständlich, denn der Abfall-Kreislauf hat durchaus ein Ende und zwar die endgültige Entsorgung in Form von Verbrennung. Um wiederverwertbar zu sein, muss z.B. Metall sortenrein getrennt werden können; hier liegt die Recyclingquote bei mehr als 80%, was gut ist.
Dies gilt jedoch nicht für verbundene Kunststoffe oder fest verschweißte und verklebte Elemente, die nicht rückstandsfrei zu trennen sind. Weiterhin auch nicht für chemische Inhaltsstoffe, Kühlmittel, Schaumstoffe, etc. die in hohem Grade umweltschädlich sind und separat zu behandelnden Sondermüll darstellen. Wer ein bisschen mitdenkt, weiss, dass Elektrogeräte auch immer weniger mechanische Elemente, sondern mehr steuernde Software beinhalten, deren Herstellung zudem noch einen menschenrechtlichen Aspekt hat: Hier sei nur auf die Coltan-Gewinnung hingewiesen, bei der Kinderarbeit zum Tagesgeschäft zählt. Wer die Herstellung des Fairphones verfolgt hat, weiss, wie unglaublich schwierig und aufwendig es ist, in der Lieferkette auf faire Arbeitsbedingungen zu achten.
Teile der Geräte, die nicht mehr weiter separiert werden können, werden geschreddert und verbrannt. Elektronikschrott landet ausgelagert im globalen Süden und verursacht dort Schäden, die uns noch Jahrzehnte beschäftigen werden. Weiterhin ist es so, dass etliche Ressourcen global knapp sind, es also nur eine Frage der Zeit ist, wann die Neu-Produktion von Geräten an ihre Grenzen kommt. Denkt und forscht man also nicht nach alternativen Methoden ist diese Art der Produktion ein auslaufendes Modell. In dieser Rechnung sind noch nicht die klimawandelbedingten Produktionsausfälle berücksichtigt, die diesem Modell ebenfalls langfristig eine Absage erteilen.
Ein Lichtblick zum Weiterdenken
Wenden wir uns weniger depressiven Fakten zu und betrachten etwas Schönes: Der größte Wurf zum Thema Digitalisierung von BSH ist m.E. bisher „WeWash“ – ein Sharing-Konzept. Gemeinschaftswaschmaschinen und –trockner in Miethäusern, Gasthäusern, o.ä., deren Belegung man per App buchen kann.
„WeWash digitalisiert die Nutzung von Gemeinschaftswaschmaschinen und -trocknern und schafft so mehr Komfort.“
Der Ansatz ist gut, denn man hat u.a. erkannt, dass städtischer Wohnraum knapp wird (bereits knapp ist) und möglicherweise damit auch der Platz für eigene Elektrogeräte weniger wird.
Disruptive Zukunftsmodelle
Ich möchte noch das Modell der wirklichen Kreislaufwirtschaft (circular economy, cradle to cradle) in den Raum werfen, weil es ein so wirkmächtiges wie auch ökonomisch und ökologisch intelligentes Modell ist. Eine echte Disruption, weil sie ein völlig anderes Verständnis von Produkten und ihren umgebenden Systemen erfordert. Der technische Kreislauf in diesem Modell sieht ein verlustfreies, permanentes Recycling in Verbindung mit Dienstleistungen vor: Es wird kein Produkt verkauft, sondern seine Leistung. Am Beispiel Spülmaschine würde man kein Gerät kaufen, sondern z.B. 50.000 Spülgänge. Danach wird das Gerät vom Hersteller bzw. seinem Logistiker abgeholt, komplett in seine Einzelteile zerlegt und wie Neuteile zu neuen Produkten gefertigt (Liebe BSH, Eure Mutter Bosch macht so etwas Ähnliches schon im Bereich Kfz mit Coremannet. Schaut doch einfach mal dort vorbei.). Sicherlich freuen sich auch die ehrenamtlich tätigen Cradle-to-Cradle-Regionalgruppen Stuttgart, München oder Tübingen über Anfragen zu Austausch, Entwicklung und Impuls.
Digitales Fazit
Eine digitalisierte Welt und ein daraus zu erwartender wirtschaftlicher Erfolg bedeutet nicht, dass man Produkte verbessert, sondern dass man Menschen jeglichen Alters, jeglicher Herkunft und Erfahrung vernetzt, die zusammen auf Augenhöhe intelligente Lösungen ersinnen, die in deutlich unabhängig von Wettbewerb funktionieren und trotzdem Wertschöpfung erzeugen.
Will man nicht in der Spirale der ewigen Reproduktion des Gleichen, des marginal Veränderten und des verkürzten Denkens steckenbleiben, braucht es die dauerhafte Erhöhung interner (Mitarbeitende) wie externer (Kunden, Lieferanten, Banken,…) Partizipation. Führung von oben kann sich dann wandeln zu zyklischer, phasen- und fallweiser Führung – ganz im Sinne eines lebendigen Systems wie u.a. im VSM (Viable System Model) beschrieben. Ergänzend braucht es Menschen, die frei und mutig ihre Meinung äußern dürfen, um dann in den Dialog zu kommen.
Bei hoher Komplexität ist Partizipation kein Wunschkonzert, sondern das Gebot der Stunde – dann braucht es auch keine konstruierten Filme.
Herzliche Grüße
Daniela
Bildquellen:
Headerfoto alte Küche, CC0-gemeinfrei, commonpictures via pixabay
Laundromat; CC0-gemeinfrei, MrsBrown via pixabay
Zur Ergänzung:
BSH Hackathon:
https://www.youtube.com/watch?v=SYt5UgQ0F7U&feature=youtu.be
https://www.we-wash.com/
http://www.coremannet.com/
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/3828.pdf
Abfall-Kreislaufwirtschaft
http://www.bvse.de/321/4148/Gesetzliche_Regelungen_sind_Basis_einer_hochwertigen_Kreislaufwirtschaft
Amzon fresh:
http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-06/amazon-fresh-lebensmittel-handel-aldi-rewe-edeka-lidl
http://www.3d-print-news.de/fleisch-aus-dem-3d-drucker-start-up-findet-investor/
http://www.n-tv.de/wirtschaft/DHL-liefert-bald-Pakete-in-den-Kofferraum-article18270556.html
Was für ein erfrischender Beitrag. Nur funktionieren wir ja nicht so, dass wir einen intelligenten Gesellschaftsentwurf entwickeln und dann die Technik dazu planen. Wir entwickeln die Technik und schauen ob sie genutzt wird. Und zwischendurch ist was darunter, dass die Gesellschaft verändert. Prinzip Zufall. Dass wir nur noch den Nutzen kaufen werden wird kommen, braucht aber noch 2 Generationen