Am 14. und 15. September fand das Vision-Forum 2016 in Berlin am Brandenburger Tor statt. Thema: „Innovation Valley statt Industrie 4.0“. Die “rund 230 Teilnehmerinnen und Teilnehmer (diskutierten) mögliche Wege und Hindernisse der digitalen Transformation. Der cross-sektorale Ansatz der Veranstaltung ermöglichte dabei einen Blick über den Tellerrand.” (Website Vision-Forum). Neben diversen Keynotes fanden fünf verschiedene Hubs statt: Leadership, Democracy, Business, Learning und Sustainability. Der Treiber dieser Veranstaltung, Thomas Sattelberger, hatte mich eingeladen, dass Democracy Hub zu leiten und es mit meinen Erfahrungen und Recherchen zu demokratischen Unternehmen zu verbinden. Das war natürlich eine schöne Möglichkeit, die Demokratisierung der Arbeit in einem hochkarätigen Umfeld zu platzieren.
Der Rahmen
Das durch mich geleitete Hub wurde folgendermaßen angekündigt: “Willensbildungs-, Entscheidungs- und Steuerungsprozesse in Organisation und Gesellschaft werden bürokratischer, elitärer oder autokratischer, obwohl die Fragilität und Turbulenz der Umwelt Intelligenz, Innovationskraft und Involvement vieler erfordert. Selbst wenn partizipativ beabsichtigt, erstarren diese Prozesse oft in Ritualen oder Pseudo-Beteiligung: Das HUB exploriert und debattiert Wege der Transformation von Kultur und Organisation: Können sich demokratisierende Organisationen im „Systemwettbewerb“ behaupten?”
Das Hub wurde zweimal nacheinander mit einer Kaffeepause dazwischen durchgeführt. In beiden Durchläufen á 75 Minuten nahmen je ca. 20 Personen teil, die aus recht unterschiedlichen beruflichen Feldern kamen. Für mich überraschend und erfreulich, kam rund ein Viertel bis ein Drittel der TeilnehmerInnen aus Konzernen und hatte großes Interesse an der Thematik.
Der inhaltliche Ausgangspunkt
Ich begann die beiden Hubs mit einen rund 10 Minütigen Impuls, an dessen Anfang die Feststellung unserer halbierten Demokratie lag. Denn einerseits wollen wohl die meisten von uns in einer (gesellschaftlichen) Demokratie leben und nicht in einem totalitären System; andererseits ist es für viele, wenn nicht die meisten von uns vollkommen normal, bei der Arbeit viele unserer gesellschaftlichen Grundrechte aufzugeben. Wer beispielsweise seine Meinung beim Arbeitgeber frei äußert, wird damit wohl nicht immer seine Karriere befördern.
Danach folgte eine kurze Skizze der Geschichte der Demokratisierung der Hoppmann Autowelt, die seit nunmehr über 40 Jahren erfolgreich im Unternehmen umgesetzt und gelebt wird. Dazu sprach ich kurz über die Ausgangsbedingungen 1957 und erläuterte dann die vier Elemente des runden Systems demokratischer Unternehmensführung: Erfolgsbeteiligung, paritätischer Wirtschaftsausschuss als oberstes Entscheidungsgremium (im Gegensatz zu den wesentlich geringeren Vorgaben durch das Betriebsverfassungsgesetz), die selbstgesteuerten Arbeitsgruppen und letztlich die Kapitalneutralisierung durch die Umfirmierung zu einem sozialen Stiftungsunternehmen (ausführlich Zeuch, A. (2015): Alle Macht für niemand. S. 89 – 105). Danach spielte ich den Ball ins Plenum und eröffnete die Gruppendiskussion.
Ergebnisse der Hubs
Die TeilnehmerInnen legten sofort los und entwickelten eine lebendige Diskussion. In den jeweils verbleibenden rund 60 Minuten nach meinem Impuls zeigte sich tendenziell eher Zuspruch und reges Interesse als Zweifel, was nun beileibe nicht immer so ist. Die Unterthemen, die wir diskutierten waren dabei vielfältig:
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gesellschaftliche versus unternehmerische Demokratie
- Demokratie als Kontinuum von Partizipationsreichweite, -grad und -frequenz
- gesteigerte Wirksamkeit von Maßnahmen durch Partizipation
- Rolle der Führungskräfte neu denken
- Erfordernis von Agilität durch gesteigerte Komplexität und Dynamik (Dynaxity)
- Erfahrungen von Konzernmitarbeitern und -führungskräften
- Grenzen der Unternehmensdemokratie
- Rolle der Gewerkschaften
- Sinn als zentraler Bestandteil der Arbeit
- Probleme durch widersprüchliche Interessen
- Dilemma der Begrenzung der Selbstbestimmung durch Demokratie
- Und in beiden Hubs: Was ist der Zweck eines Unternehmens?
Im Gegensatz zu vielen anderen Veranstaltungen war bemerkenswert, dass sich niemanden äußerte, der das Mantelkonzept der Unternehmensdemokratie vollends ablehnte. Ganz im Gegenteil waren relativ viele Personen dabei, die der gesteigerten Partizipation und Mitbestimmung gegenüber ausgesprochen offen waren. Es ging insgesamt so gut wie überhaupt nicht um die Frage, ob Unternehmensdemokratie an sich sinnvoll ist oder nicht. Die leitende Fragestellung lag eher in einer differenzierten Betrachtungsweise, wann, wo und wie genau die Demokratisierung der Arbeit für Unternehmen oder Non-Profit-Organisation vorteilhaft ist. Und das bei der subjektive bislang größten gefühlten Dichte an Konzernvertretern. Ich bin gespannt, ob sich diese Beobachtung bei zukünftigen Veranstaltungen weiter beobachten lässt.
Teilnehmerstimmen
Hier zumindest schon mal ein erstes Feedback direkt zu den Hubs. Weitere werden hoffentlich folgen:
Ihre interaktive Session beim Vision Forum zum Innovation Valley letzte Woche in Berlin war klasse!! Hat mich noch sehr beschäftigt. Und Ihr Buch habe ich schon zur Hälfte gelesen :-)…. Spannendes Thema. Christiane Bien, Continental AG
Herzliche Grüße
Andreas
Bildnachweis
Wie in den Bildunterschriften ausgewiesen