Was hat New Work mit Nachhaltigkeit zu tun?

Da war sie wieder die Frage: „Was hat New Work eigentlich mit Nachhaltigkeit zu tun?“ Letzthin gestellt von einer Teilnehmerin beim Eco Design Forum wo die Kultur-Komplizen einen Workshop zum Thema „Nachhaltige, ethische, soziale Führung“ hielten.

Bei priomy ist nachhaltiges Handeln für uns alltäglich und selbstverständlich und die Formulierung „selbstbestimmte Arbeit“ verknüpfen wir mit „sozialer Nachhaltigkeit“. Deshalb wird es höchste Zeit verständlich zu machen, wie wir eigentlich dazu gekommen sind.

Das „N“-Wort – Nachhaltigkeit

Grundsätzlich ist der Begriff Nachhaltigkeit nicht einfach zu greifen – die Deutungen reichen vom Low Level „dauerhaft“ bis zum High Level des „integrativen Modells der Nachhaltigkeit“, welches die Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales umfasst. Wenn ich von „Nachhaltigkeit“ rede, ist immer der High Level gemeint. So soll es auch hier sein. Es ist also wie immer: komplex.

Geschichte der Nachhaltigkeit

Der Begriff taucht zum ersten Mal in der Forstwirtschaft (genauer in der Waldwirtschaft des 15. Jh.) auf und zwar beim Freiberger Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz (1645–1714) auf. Laut von Carlowitz bedeutete nachhaltiges Handeln, dass in einem Wald nur so viel abgeholzt werden sollte, wie der Wald in absehbarer Zeit auf natürliche Weise regenerieren kann.

Es ging demnach um das Sicherstellung, dass ein Öko-System in seinen wesentlichen und natürlichen Eigenschaften langfristig erhalten bleibt. Aktuell ist es so, dass die meisten Wälder vor unseren Haustüren eigentlich Forste sind, da sie intensiv bewirtschaftet und verwertet werden. Das Holz des Waldes ist ein Wirtschaftsgut und nur dort natürlich, wo der Mensch nicht eingreift – man mag sich an heftige Diskussionen um diverse Naturparke erinnern, in denen Glaubenskämpfe um den „richtigen“ Umgang mit dem Kulturgut Wald erinnern.

Nachhaltigkeit ist also ursprünglich mit Ökologie verknüpft. Diese Verknüpfung und dieses Verständnis sind auch heute noch fest in der klassischen Öko-Bewegung und in allen Nachhaltigkeitsdiskussionen tief verankert. Ich fand dies erst letztes Jahr bei der Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung wieder bestätigt. Dort war ich als Podiumsgast zum Thema nachhaltige Kultur eingeladen und selbst die Kulturschaffenden verstanden dort den Begriff rein auf die Ökologie beschränkt (Blogbeitrag Kultur der Nachhaltigkeit).

Der notwendige Perspektivwechsel

Hätten die damals wortführenden Männer (ja, sorry, war halt so, dass Frauen damals keine Stimme hatten) schon damals die Idee von Carlowitz weitergedacht, wäre Mann schneller darauf gekommen, dass Nachhaltigkeit auch schon damals eine soziale Komponente hatte. U.a. nämlich die der Einkünfte für die Waldarbeiter. Eine intensiv bewirtschaftete Kulturlandschaft, sei es nun Wald oder Feld, führt langfristig immer zu weniger Einkünften für die, die davon leben. Der Boden wird durch die extensive Nutzung arm an Nährstoffen, die Insektenvielfalt nimmt ab, Schädlinge können sich schneller und vermehrt ausbreiten.

Die Ernte wird immer schlechter bzw. weniger und führt zu Einkommensrückgang. Hinzu kommen seit etlichen Jahren Abhängigkeiten von Konzernen, die ausschließlich einjähriges Saatgut verkaufen, das aufgrund von Schutzpatenten auch nicht vermehrt werden darf und von denen die Bauern zusätzlich Schädlingsbekämpfungsmittel für die zunehmende Menge an Schädlingen erwerben, um geringer werdende Ernten zu kompensieren. Was absurd ist, denn die Kosten für Pestizide und Saatgut fressen zusätzlich das Einkommen. Eine irrwitzige und toxische Spirale.

Ist Nachhaltigkeit definierbar?

Es gibt tatsächlich nicht die eine gültige Definition für Nachhaltigkeit. Aber es gibt gängige Formulierungen, die ein halbwegs einheitliches Verständnis fördern können. Als gängig gilt nach wie vor die Definition der Vereinten Nationen von 1987 auf Basis des Brundtland-Berichtes:

„Humanity has the ability to make development sustainable – to ensure that it meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.”, (Hardtke/Prehn 2001, S.58).

Nachhaltigkeit wird so als Entwicklung verstanden – in der Gegenwart in Bezug auf die Zukunft. Die Befriedigung von gegenwärtigen Bedürfnissen darf nicht zu Lasten der Bedürfnisse künftiger Generationen. Dementsprechend wird im Nachhaltigkeitskontext der Begriff „Enkeltauglichkeit“ verwendet.

Eine eindeutig wirtschaftlich ausgerichtete Definition liefert Iris Pufé, die sich auch mit der Definition von CSR (Corporate Social Responsibility) der Europäischen Union deckt:

„[…] nicht Gewinne zu erwirtschaften, die dann in Umwelt- und Sozialprojekte fließen, sondern Gewinne bereits umwelt- und sozialverträglich zu erwirtschaften.” (Nachhaltigkeit, I.Pufé, 2014, S.16)

Nachhaltigkeit ist demnach im Kern- und Alltagsgeschäft der Unternehmen angesiedelt und nicht Add-on und beinhaltet die Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales.

Ist Soziale Nachhaltigkeit definierbar?

Obwohl die EU-Definition von CSR klar auf das theoretische Modell der Nachhaltigkeit referenziert, besteht keine Verständnisklarheit in den einzelnen Bereichen. Während die Bereiche „Ökonomie“ und „Ökologie“ hinreichend mit diversen Normen, Richtlinien und Zertifizierungen abbildbar sind, bleibt der dritte Bereich „Soziales“ in beiden Modellen der Nachhaltigkeit (Drei-Säulen-Modell und integratives Modell) die schwächste Position, weil am wenigsten definiert ist, was „Soziales“ genau bedeutet und umfasst.

Die begriffliche Unsicherheit können selbst die Sozialwissenschaften nicht lösen, da dort der Begriff mehrdeutig verwendet wird. Mehrheitlich wird der Begriff im Nachhaltigkeitskontext jedoch als „defensiv“ beschrieben. Edda Müller, Mitglied des Nachhaltigkeitsrates, versteht soziale Nachhaltigkeit wie folgt:

„Die soziale Dimension wird bisher weitgehend defensiv verstanden. Im Vordergrund steht die Maxime ‚don’t damage‘, also das Bemühen, bei Industrieansiedlungen oder ländlicher Entwicklung bloß nichts kaputt zu machen oder jedenfalls nicht dabei aufzufallen.“ (Müller, 2002)

Claudia Empacher vom Institut für sozial-ökologische Forschung, erkennt zwei wesentliche Richtungen für die Definition Sozialer Nachhaltigkeit:

„Häufig wird soziale Nachhaltigkeit als der ökologischen Dimension nachrangig verstanden, im Sinne von Sozialverträglichkeit ökologischer Maßnahmen. Oder das Soziale wird definiert als Bereiche der klassischen Sozialpolitik. Hier werden dementsprechend Themen wie Arbeitslosigkeit, Gesundheitsfürsorge, Altervorsorge usw. thematisiert. Dies ist z.B. bei den diskutierten CSD-Indikatorensystemen der Fall.“ (Empacher, 2002)

 

Soziale Nachhaltigkeit im Kontext New Work

Wer sich mit CSR (Corporate Social Responsibility) beschäftigt, kennt diverse Berichtsrahmen, innerhalb derer Nachhaltigkeitskennzahlen erhoben werden können, die man hübsch in einen Nachhaltigkeitsbericht verpacken kann. Das Flaggschiff ist hier der Berichtsstandard der Global Reporting Initiative, kurz GRI, der die Dokumentation zu Arbeitsbeziehungen, Arbeitsschutz, Fortbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen erfasst. Hier besteht lediglich die Möglichkeit, sich über flexible Arbeitszeiten und -orte auszulassen. New Work auf minimalstem Level also.

Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) gibt eine bessere Orientierung. Hier können folgende Angaben gemacht werden:

  • Was vorgesehen ist, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus einzubinden und zu beteiligen. (Aspekt Arbeitnehmerrechte/Partizipation)
  • Ob und wie Beteiligung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen am Nachhaltigkeits-Management gefördert wird. (Aspekt Arbeitnehmerrechte/Partizipation)
  • Programme, um Integration und Vielfalt sowie die Vereinbarkeit von Privat- und Arbeitsleben der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu fördern. (Aspekt Chancengleichheit)
  • Programme zu Gesundheitsmanagement, altersgerechte Arbeitsplatzgestaltung, Weiterbildungen mit Blick auf den demographischen Wandel). (Aspekt Qualifizierung)

 

Wie ist die aktuelle Lage?

Aktuell ist es in meiner Wahrnehmung so, dass Unternehmen, die schon lange sowohl nachhaltige Produkte herstellen als auch im Kern nachhaltig wirtschaften ebenso wie die neuen Social Entrepreneure noch nicht das Thema New Work für sich entdeckt haben. Auf der anderen Seite stehen etliche New Work Unternehmen, die das Thema Nachhaltigkeit noch nicht entdeckt haben. Natürlich gibt es gibt tolle Praxisbeispiele wie den Naturkosmetikhersteller Weleda oder der Outdoorhersteller Vaude, die die sozial-ökologische Nachhaltigkeit vorantreiben und längst leben. Doch noch sind es viel, viel zuwenig Unternehmen, die so ganzheitlich agieren.

New Work kann ökologische Nachhaltigkeit fördern

Oft höre ich die Frage, wie man Unternehmen und Menschen denn zu mehr nachhaltigem Handeln bringen kann. Und oft ist damit der Wunsch verbunden, dass doch “die anderen” sich bitte weiterbilden sollen, sich informieren sollen, die Nachhaltigkeit breitflächig kommuniziert, die Politik endlich handeln soll. Verstehe ich durchaus, auch mir geht es nicht schnell genug mit der Umsetzung und ich ärgere mich über Rückschritte. Dennoch ist mir klar, dass entweder ein langer Lernprozess oder ein einschneidendes Erlebnis notwendig ist, um anders handeln zu können – das nachhaltige Handeln erfordert also in erster Linie ein individuelles und innerliches Wachstum. Für mich persönlich habe ich folgende These: Niemand will von Natur aus absichtlich irgendjemandem schaden – weder anderen Menschen noch seiner Umwelt. Aber es braucht kontinuierliche Bildung und Wissen – regelmäßig auf den neuesten Erkenntnisstand angepasst und im iterativen Austausch mit Forschung und Entwicklung.

Ich habe weiterhin die These, dass solange wir der Arbeit einen so hohen Identifikationswert zuschreiben und solange ein so hohes Abhängigkeitsverhältnis von Erwerbsarbeit vorhanden ist, ein großer Stellhebel für nachhaltiges Handeln am Arbeitsplatz liegt. Die aktuellen Veränderungen im Kontext #NewWork und #Zukunft der Arbeit sorgen für mehr Partizipationsmöglichkeiten und mehr Bewegung in vormals festgefahrenen Strukturen. Wenn Menschen am Arbeitsplatz Selbstwirksamkeit erfahren, selbstbestimmt arbeiten und Fehler machen dürfen – so wie es die Werte von NewWork transportieren, kommen sie ins Nachdenken über Zusammenhänge. Sie bringen ihre privaten Routinen und Erfahrungen mit in den beruflichen Kontext. Und sie sind mitunter längst weiter als so manche Unternehmensführung.

So wie eine der Putzkräfte eines Reinigungs-Dienstleisters, der in seinem Betrieb mehr Partizipation ermöglichen wollte und seine Mann- und Frauschaft nach ihren Vorschlägen zur Verbesserung des Angebotes fragte. Der Vorschlag der Fachkraft lautete nämlich „Wir könnten auf ökologische Putzmittel umstellen – belastet die Umwelt weniger und schont meine Haut, also meine und unsere Gesundheit.“ Will ein Unternehmen ernsthaft auf ein solches Geschenk verzichten? Besser nicht, oder?

 

Herzliche Grüße
Daniela

 

Bei unserer (Un-)Konferenz bringen wir ökologische und soziale Nachhaltigkeit zusammen – der Bundesverband Unternehmensgrün e.V. ist einer unserer Kooperationspartner – Tickets und Infos unter https://priomy.events/

 

Bildquellennachweis:
pixabay, CC-0 Lizenz gemeinfrei

 

Zum Nachschlagen:

https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/definitionen_1382.htm

http://www.isoe.de/fileadmin/redaktion/ISOE-Reihen/st/st-11-isoe-2002.pdf

http://werteundpolitik.de/pdf/Beitrag_Nachhaltigkeit_Mueller.pdf

https://www.globalreporting.org/resourcelibrary/German-G4-Part-One.pdf

https://www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de/de/startseite.html

http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:52011DC0681

 

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