Warum Frauen nicht demokratisch arbeiten wollen

Eine leise Polemik

„Arbeiten 4.0 ist eine Riesenchance für Frauen. Alte Hierarchien werden aufgebrochen und weibliche Fähigkeiten, wie Kooperation und Empathie, werden wichtig für Führungskräfte.“ – so oder so ähnlich lautete ein Satz, den ich selbst vor ein paar Monaten in eine Diskussion geworfen hatte. Es war eine reine Frauenrunde bei einer der gefühlt tausendsten Veranstaltung zum Thema „Digitalisierung“. Wie immer war von „der“ Digitalisierung die Rede und wie immer beschränkte sich das Verständnis von Digitalisierung auf den technischen Part. Schlimm genug, aber dieses Missverständnis soll diesmal nicht Thema sein.

Frauenquote muss sein, oder?

Schnell war sich die Frauenrunde zu Recht einig, dass erstens zu wenig Frauen in der obligatorischen Podiumsdiskussion vertreten waren. Zweitens war nur eine von vier Keynotes weiblich besetzt. Ebenfalls einhellig war man der Meinung, dass die Beiträge der Männer wieder mal nichts Konkretes, sondern nur Allgemeinplätze hervorgebracht hätten und dass ausschließlich der Beitrag der weiblichen Keynote Substanz hatte. Dem konnte ich zustimmen und dachte einen Moment, dass an der sogenannten Frauenförderung doch nicht alles schlecht wäre. Denn grundsätzlich halte ich die Quote für eine Krücke und ein reines Überbrückungsinstrument.

Grundsätzlich will ich auch mehr Frauen in Entscheiderpositionen sehen und ich würde mich freuen, wenn es die sogenannte Frauenförderung, die so oft nur alte Karrieremuster reproduziert, nicht mehr bräuchte. Analog zum Peter-Prinzip würde dann auch das Petra-Prinzip wegfallen: Frauen werden in Positionen nur qua Geschlecht und Quote befördert, die notwendige Kompetenz jedoch nicht berücksichtigt. Das führt dazu, dass die entsprechenden Frauen grandios scheitern.

Gerne wird dieses Scheitern dann von feixenden Buddies zum Anlaß genommen, hämisch über die vermeintliche weibliche Führungsschwäche episch zu referieren und das Scheitern dann als Referenz zu nutzen, ganz nach dem Motto „Nee, haben wir ja schon versucht, funktioniert aber nicht.“

Mit demokratischer Arbeit wird alles gut

Soweit so gut, dies ist die eine Seite. Es ist nach wie vor Fakt, dass Frauen in unzähligen Bereichen beruflich benachteiligt werden, dass uralte Machtkonzentrationen ihr Fortkommen behindern. Dies ist die sichtbare Seite der Medaille. Diese sichtbare Seite wird womöglich durch neue flexible und agile Arbeitsmethoden und neue Führungsmodelle aufgebrochen. Demokratisches und selbstbestimmtes Arbeiten macht sichtbar, was bisher in bilateralen Gesprächen und hinter verborgenen Türen stattfand. Doch ist es wirklich so, dass insbesondere Frauen für diese neue Art der Arbeit geschaffen sind, bzw. wollen sie diese Art von Arbeit überhaupt? Ich zweifle. Warum?

Warum Frauen nicht demokratisch arbeiten wollen

Die nachfolgenden 5 Punkte habe ich entweder selbst beobachtet oder sie wurden mir von anderen Frauen zugetragen. Nebenbei, ich würde mich – sollte es denn ein Label brauchen – als Feministin bezeichnen. Und natürlich kann man die Beispiele – für veränderte Kontexte – auch für Männer aufmachen.

  1. Home sweet Home: Herrschaft im Privathaushalt

Korrigiert mich, aber ist es nicht so, dass weibliche Menschen grundsätzlich beim Gestalten der Inneneinrichtung des trauten Heims die Entscheidungsgewalt haben? Klar, der (männliche) Partner hat ein rudimentäres Mitspracherecht, aber die Letztentscheidung liegt bei uns – das ist zumindest meine Wahrnehmung über Jahre hinweg in verschiedensten privaten Kontexten.

Was ich weiterhin beobachtet habe ist, dass es am Arbeitsplatz gar nicht anders ist. Dort, wo Frauen arbeiten, wird der Arbeitsplatz gestaltet – mit Blumen, mit Bildern, mit Erinnerungs- und Dekogegenständen. Ich erinnere mich, dass eine ehemalige Kollegin sich vehement und laut wehklagend dagegen wehrte, ihre frei und weitläufig durch den Raum wuchernde Kletterpflanze auch nur minimal zurückzuschneiden, weil sie sich damit in ihrem Arbeitsplatzrefugium angegriffen fühlte. Ich grüble, wie es gelingen soll, dieser Frau klarzumachen, dass sie demnächst nur noch ein Schließfach und einen Rollcontainer statt eines festen Schreibtisches hat.

  1. Du bist nicht die Mama: Herrschaft über Kinder und Partner

Ist es nicht so, dass viele Frauen es genießen, privat Macht über Partner und Kinder auszuüben? Ich erlebe es mitunter, dass die Legitimation qua Mutterschaft gezogen wird, nach dem Motto „Ich habe 9 Monate meinen Bauch als Hotel zur Verfügung gestellt, ich weiss besser als Du, wie unser Nachwuchs tickt.“ Ich erlebe regelmäßig, dass Männer sich ob dieses Totschlagargumentes zurückziehen und Frauen machen lassen.

Ist diese Machtbasis erst einmal geschaffen, scheint es ein Leichtes, auch die Kinder zu instrumentalisieren, indem frau sie stark an sich bindet. Eine Bekannte erzählte, dass ein Kind aus ihrem Umfeld eine so starke Mama-Bindung entwickelt hat, dass es keinen einzigen Satz gegenüber anderen Menschen herausbringt, ohne zuvor mit seiner Mutter Blickkontakt aufzunehmen (vgl. dazu: Der Tod von New Work: Helikopter-Eltern). Analog dazu wird die Karriere des (meist) männlichen Familienernährers subtil gesteuert. Sätze wie „Also Annas Mann ist gerade erst zum Leiter XY aufgestiegen und bringt jetzt mal schlappe XX EURO mehr nach Hause als vorher. Wolltest Du bei Deinen Chef nicht schon vor zwei Monaten nach einem Gespräch unter vier Augen fragen, Schatz?“, denke ich mir nicht aus, sondern habe sie exakt so oder auch vorwurfsvoller formuliert bei gemeinsamen Abenden mit Bekannten und Freunden schon gehört.

Es ist nicht so, dass ich nur beobachte, ich frage auch nach. Nach meiner Wahrnehmung wahrheitsgemäß antwortete die letzte Mutter auf meine Frage nach der Unentbehrlichkeit: „Ich genieße es, dass es nicht ohne mich geht und alles nach meiner Pfeife tanzt.“ Solche Sätze irritieren mich. Was stellen Frauen mit einer solchen Grundhaltung in einem Team an? Wollen sie überhaupt partizipativ arbeiten oder machen sie das nur, weil der agile Arbeitgeber es verlangt? Stören sie womöglich aktiv die Teamkultur, um Scheitern zu provozieren? Sind sie in Habacht-Stellung und auf dem Sprung für den nächsten Job, der ihrem linearen Karriereverständnis näher kommt als das selbstbestimmt arbeitende Unternehmen mit dem angenehmen Betriebsklima?

  1. Herrschaft im Büro 1 – Du kommst hier nicht rein!

Ja, natürlich werden Frauen bei Beförderungen übergangen und das systematisch und regelmäßig. Das ist ein strukturelles Problem. Heißt das aber, dass Frauen immer die Guten sind? Die grundsätzlich Benachteiligten und armen Opfer? Nein, so einfach ist es nicht, es ist komplex. Die beruflichen Einflussmöglichkeiten von Frauen sind enorm und sie haben im Laufe der Jahrhunderte durchaus gelernt, welche subtilen Hebel für ihre eigenen Interessen bewegt werden müssen.

In meiner beruflichen Vergangenheit habe ich eine große Vielfalt an weiblichem Einfallsreichtum kennengelernt, zu manipulieren und Macht auszuüben.

Fangen wir beim offensichtlichsten Beispiel an – die Sekretärin oder Assistentin des Chefs. Sie ist qua Amt der Torhüter und die Damen, die ich in diesem Amt kennenlernen durfte, nahmen ihre Position sehr sehr ernst. Je nachdem wie nah sich Chef und Sekretärin auf persönlicher Ebene standen, war die Schwelle mal leichter zu übertreten mal schwerer für die, die sich dem Chef nähern wollten. Umgekehrt machte die Sekretärin dem Chef die Kontaktaufnahme zu den Kollegen und Kolleginnen nicht leicht. Zu gerne überbrachte sie Nachrichten gefiltert in ihrer Sprache – ob wichtige Informationen dadurch fehlten konnte nie nachgeprüft werden. Ist eine solche Assistentin – mitunter ist es auch die Dame, die einen am Empfang oder am Tresen freundlich begrüßt –  in der Lage, die Kontrolle über ihr Reich loszulassen? Fällt ihr Job durch eine zunehmende technische Digitalisierung weg? Weiss sie das womöglich und versucht sie daher, sich auf andere Art und Weise unentbehrlich zu machen?

  1. Herrschaft im Büro 2 – Meetings und Entscheidungen

Hand aufs Herz, ist Euch wirklich noch nie aufgefallen, dass in manchen Meetings einige der Damen – ENTGEGEN ihrer sonstigen Kleidungsgepflogenheiten! – kurze Röcke, ein tiefes Dekolleté oder eine etwas weiter aufgeknöpfte Bluse tragen? Analog gilt das für anstehende Personalgespräche. Ich will das Fass gar nicht aufmachen, denn im Sinne der Gleichberechtigung muss es egal sein, was eine Frau trägt – man erinnere sich nur an die dringend notwendige #Aufschrei-Debatte von Anne Wiezorek https://de.wikipedia.org/wiki/Aufschrei .

Dennoch bleibt ein Schönheitsfleck, denn durchaus gibt es Frauen, die genau dieses banale sexistische Schema für sich nutzen. Eine Bekannte erinnerte sich an einen Fall, bei dem der Chef diese Manipulation einer Mitarbeiterin durchschaut hatte und die werte Kollegin fragte, ob sie beim nächsten wichtigen Kundengespräch nicht genau diese Taktik im Sinne der Firma anwenden wolle. Natürlich lehnte die Dame sofort entrüstet ab – zumindest für die, die das Gespräch mitbekommen hatten. Wie wenden solche Frauen ihre Praktiken z.B. in einer agilen Umgebung an? Wird der Daily Sprint für sie zur Bühne? Können sie die unsägliche Rolle verlassen, die davon ausgeht, mit körperlich ausgestellten Attributen statt mit Argumenten und intelligentem Handeln Erfolg zu haben?

  1. Herrschaft im Büro 3 – Hackordnung und Zickenkrieg

Der tägliche Zickenkrieg ist wirklich ermüdend und frustrierend. Ich kann mich an unzählige spitze Bemerkungen von Kolleginnen erinnern, die andere Kolleginnen herabwürdigten, indem sie sich über deren Kleidung, Herkunft, Aussehen oder Bildung ausließen. An unausgesprochene Allianzen zwischen Kolleginnen, die einem neuen Mitarbeiter das Leben zu Hölle machten. Es ist nicht so, dass ich in solchen Konstellationen nie mitgemacht hätte. Es gab durchaus Situationen, in denen ich mich dem Gruppenzwang gebeugt habe, um nicht ins Abseits zu geraten. Eine Kollegin sagte einmal, nachdem ein Konflikt zwischen zwei Kolleginnen im Flur zum lautstarken Gezeter eskaliert war: „Mir ist es unerklärlich, warum Frauen sich gegenseitig so zerfleischen anstatt zu kooperieren. Das ist so unwürdig und dabei wird so viel Kraft vergeudet.“ Das frage ich mich seitdem auch immer wieder. Eine meiner Antworten dazu lautet, dass dieser Krieg nicht aufhört, weil er gesellschaftlich erlernt, über Generationen weitergetragen wurde und schlichtweg breitflächig ignoriert und nicht hinterfragt wird.

  1. Herrschaft im Büro 4 – Praktikanten, Paketboten, Putzfrauen.

Schon mal Frauen im Restaurant beobachtet? Wie sie mit Kellnerinnen umgehen? Unbedingt mal beobachten, da lernt man fürs Leben. Natürlich ist Freundlichkeit dem gastronomischen Personal nicht immer gegeben. Auf der anderen Seite sind Frauen als Gäste unglaublich geübt darin, gerade Kellnerinnen spüren zu lassen, wie sehr sie sich in der Herrschaftsrolle sehen. Herablassende Ansprache, abschätzige Blicke, genervtes Augenrollen oder offenes Meckern – die Bandbreite an Geringschätzigkeit ist groß. Exakt die gleiche Haltung und das Verhalten legen diese Frauen am Arbeitsplatz gegenüber Praktikanten, Paketboten und Putzfachkräften an den Tag.

Auch hier wäre im Kontext neuer Arbeit zu hinterfragen, in wie weit diese Hierarchiezementierung qua Position sinnvoll ist.

Jenseits aller Polemik

Was noch zu erwähnen bleibt – jenseits aller Polemik: Die oben aufgeführten Punkte sind nie pauschal auf eine Person zu übertragen. Es sind jeweils Aspekte, die in Kombination fallweise und zeitweise vorkommen. Während meiner beruflichen Laufbahn als Angestellte habe ich viele unglaublich tolle, starke und intelligente Frauen kennen gelernt. Dies war jedoch nicht die Mehrheit, leider. Oft war es so, dass sich die reflektierten Frauen eher zurückgenommen haben und denen das Feld überließen, die aggressiv waren und subtil manipulierten. Ich habe genauso viele tolle Männer kennengelernt, die empathisch und intelligent zugleich waren. Auch diese haben sich zurückgenommen, sobald ein Narzisst, ein Gockel oder ein Schreihals das Feld betrat.

Das sollte sich dringend ändern. Denn in einer neuen Arbeitswelt kann es nicht darum gehen, erlernte Geschlechterstereotype zu reproduzieren und weiterhin mehr auf Konkurrenz statt auf Kooperation zu setzen. Es geht um nichts weniger als gleichberechtigt und intelligent zusammen zu arbeiten und zu leben.

Herzliche Grüße
Daniela

 

Zum Weiterlesen

https://women-in-digital.de/foerdern/

http://www.bpw-germany.de/

https://editionf.com/buchauszug-lean-back-perspektive

 

Bildnachweis

Beitragsbild: pixabay/komposita; CC0 Lizenz gemeinfrei

Comments (2)

Hallo Daniela, ich stimme Dir voll zu. Und sehe Möglichkeiten, wie eine basisdemokratische Entscheidungskultur Männer und Frauen neu zusammen arbeiten lassen kann. Lust, darüber mehr zu erfahren?

Liebe Angelika,

ja, sehr gerne, das hört sich gut an. Laß uns da gerne mal in Kontakt kommen. Danke Dir!

Herzliche Grüße
Daniela

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