Es ist schon erstaunlich. Da leben wir längst in einer digital hochvernetzten Zeit, in der die meisten Bürger*innen der westlichen Welt Mitglied in einem oder mehreren der einschlägigen professionellen wie privaten Sozialen Netzwerke sind. Und doch ist eine berufliche Chancengleichheit immer noch nicht gegeben. Das zeigt eine Studie zu den Vorteilen des Besuchs englischer Eliteschulen.
Chancengleichheit: Die Gunst der Eliteschulen
Was hat das gesprengte Eichhörnchen auf Ecstasy, Boris Johnson mit dem längst rausgeschmissenen Ex Cambridge Analytica Chef Alexander Nix und dem honorigen Prinz William gemein? Genau. Sie waren allesamt auf einem britischen Elite College, genauer: Eton, genauso wie auch der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby. Sam Friedman, Professor für Soziologie an der renommierten London School of Economics and Political Science, hat gemeinsam mit zwei Kollegen 120 Jahre biografischer Daten von 1897 bis 2016 ausgewertet, um den Einfluss elitärer Bildung auf den späteren Karriereweg zu untersuchen. Trotz aller Versuche, Bildung chancengleich zu machen, stellten Friedman und seine Kollegen fest:
Even today, the alumni of the nine Clarendon schools are 94 times more likely to reach the British elite than are those who attended any other school. (Reeves, A. et al. (2017): Abstract)
Im Spiegel Interview (Zastiral (2018)) erläutert Friedman, dass diese hochsignifikante Verbesserung der Chancen auf eine Spitzenkarriere keineswegs mit der Bildung an sich zusammenhängt. Die Absolvent*innen sind selbstredend nicht 94 mal besser, als Schüler staatlicher Schulen (dazu müssten Letztere durchgängig katastrophale Ergebnisse abliefern. Und selbst dann…). Statt dessen lernen sie nebenbei noch andere für eine erfolgreiche Karriere wichtige Kompetenzen:
- Sprach- und Sprechstil
- Fähigkeit zu überzeugen (“Oiling”, vgl. Delingpole 2015)
- Selbstwert (ich habe ein Recht, gehört zu werden)
- Selbstwirksamkeitserwartung (also ein Ziel auch unter widrigen Umständen erreichen)
- Last not least: Netzwerke und Netzwerken
- Kleidungsstil
Friedman stellt zurecht die Frage, ob einige dieser Punkte tatsächlich etwas mit einem passenderen Leistungsprofil zu tun haben, oder ob sie nicht willkürlich sind, wie zum Beispiel der Sprach-, Sprech- und Kleidungstil. Vielmehr sind hier indirekte Mechanismen einer Bevorzugung zu vermuten, die rein gar nichts mit der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu tun haben. Menschen mit ähnlichen kulturellen Merkmalen, wie im Sprech- und Kleidungsstil, fühlen einander oftmals zugehöriger, als wenn direkt sicht- und hörbar deutliche Unterschiede spürbar würden (ey Alter…). Ein idealer Nährboden für psychologische Irrtümer wie den Halo-Effekt, bei dem von ein bis zwei wenigen Eigenschaften auf eine positive Gesamtleistung geschlossen wird. Da spricht einer wie ich und kleidet sich ähnlich – der/die ist kompetent (für was auch immer).
Ein weiterer wichtiger Punkt scheint die Vernetzung von Eliteschulen und den typisch elitären englischen Privatclubs zu sein, in denen wichtige Geschäfte und Karriereschritte angebahnt und teils informell ausgehandelt werden. Wer also in Eton & Co. ist, hat automatisch einen erheblich leichteren Zugang zu diesen Clubs und ihren Netzwerken. Damit ist gleich ein weiterer Vorteil für die berufliche Entwicklung gegeben. Auch hier scheint wie meist zu gelten: Der Teufel scheißt auf den größten Haufen.
Chancengleichheit: Nicht nur leichter eine Stelle bekommen, sondern auch noch mehr verdienen
“…Britain’s traditional professions such as medicine, law, journalism and academia remain dominated by those from advantaged backgrounds – nearly three quarters (73 per cent) of doctors are from professional and managerial backgrounds with less than 6 per cent from working class backgrounds.” (LSE Studie “New research uncovers “class pay gap” in Britain’s professions)
Aber damit nicht genug: Nicht nur, dass die Eliteschüler erheblich bessere Chancen auf eine erfolgreiche Erwerbsbiografie haben, sie verdienen in exakt den gleichen Jobs auch noch (mindestens) durchschnittlich 17% mehr als Vertreter der Arbeiterklasse, die sich nach oben gearbeitet haben. Zu diesem Ergebnis kam Friedman mit einem weiteren Kollegen durch die Analyse und Auswertung einer umfassenden Datensammlung des UK Labor Force Survey (der LFS ist die größte Umfrage im Anstellungsbereich mit 90.000 Teilnehmer*innen).
Sicher, diese Ergebnisse beziehen sich zunächst auf die englischen Verhältnisse. Wir haben in Deutschland nicht diese starke Tradition von Eliteschulen und -universitäten. Aber bekanntermaßen sind es auch bei uns nicht gerade rosig aus bezüglich der Chancengleichheit in der Erwerbsbiografie. Es gilt also auch weiterhin daraufhin zu arbeiten, dass die hier beschriebenen Chancenungleichheiten Stück für Stück abgebaut werden. Die Old Etonians und ihre Pendants in anderen Ländern sind Teil von Old Work. Für die Neue Arbeitswelt sollte gelten:
Kompetenz ist wichtiger als soziale Herkunft!
Herzliche Grüße
Andreas
Literatur
- Delingpole, I. (2015): How Eton works. The Spectator
- N.N. (2017): New research uncovers ‘class pay gap’ in Britain’s professions. London School of Economics and Political Science
- Reeves, A. et al. (2017): The Decline and Persistence of the Old Boy: Private Schools and Elite Recruitment 1897 to 2016. American Sociological Review, 82 (6): 1139-1166
- Zastiral, S. (2018): So funktioniert das Netzwerk der Eliten. Spiegel
Bildnachweis
- Beitragsbild: Martin Kraft, CC BY-SA 3.0
- Etonabsolventen: (Zusammenstellung Andreas Zeuch)
- Johnson: Kuhlmann/MSC, CC BY 3.0de
- Nix: Web Summit, CC BY 2.0
- William: USAID/Vietnam, gemeinfrei
- Savile Club: Savile Club, CC0
Toller Beitrag! Gerade erst über Google gefunden.
Danke Lisa, freut mich.