Boeing. Die Zerstörungskraft der Gewinnmaximierung.

Boeing 737 MAX

Am 26. August 2019 veröffentlichte ich einen Beitrag über die damals hochkochende Krise bei Boeing. Titel: Gewinnmaximierung als ökonomische Selbstverstümmelung. Ein gutes halbes Jahr später habe ich den Eindruck, damit noch zu zurückhaltend gewesen zu sein. Denn mittlerweile ist klar, dass die Folgen der kurzfristigen Gewinnmaximierung weit über Boeing hinausgehen. Der Fall illustriert auf perfide Weise, wohin der konsequent zu Ende gedachte Imperativ, “The Business of Business is Business” führt.

Folgen für Boeing

Beginnen wir im Zentrum der sich ausbreitenden zerstörerischen Wellen. Das wichtigste Unternehmensziel für 2025 ist immer noch die Marktführerschaft. Für die nächsten Jahre dürfte dieses Ziel höchstvermutlich pulverisiert sein. Zumal gerade vor ein paar Tagen herauskam, dass es mit dem Problemflieger 737-MAX noch weiter Probleme gibt als die bislang bekannten. In zwischengelagerten Flugzeugen wurden Fremdteile in Treibstofftanks gefunden, die Baureste oder zurückgelassenes Werkzeug sein könnten (jon/dapa 2020). Abgesehen von den zerstörerischen Effekten all der Schlamperei insbesondere mit diesem Flugzeugtyp, stellt sich die Frage, was eigentlich die Kunden davon haben, wenn irgendein beliebiger Hersteller Marktführer ist, und dann zum Beispiel Preise diktieren kann. Dieselbe unsinnige Zielsetzung finden wir gar als Transformation völlig überhöht bei VW, die seit einiger Zeit – oh welch Disruption – der größte Emobilitätshersteller werden wollen (vgl. VW. Vorwärts in die Vergangenheit).

Ex Boeing CEO Dennis Muilenberg hat gut Grinsen…

Mittlerweile ist Boeing Airbus gegenüber deutlich ins Hintertreffen geraten, wie vor Kurzem in einem Artikel in der Zeit zu lesen war. Die Gier, möglichst schnell einen möglichst großen Abstand zur Konkurrenz zu schaffen; oder vielleicht auch: Die Angst, von diesem Konkurrenten eventuell überholt zu werden, führte letztlich zu genau dem, was vermieden werden sollte. Das erste Mal seit 2011 liegt jetzt Airbus vor Boeing (Reiche 2020). Alleine das ist für das Unternehmen ein absurdes Spektakel. Aber mit dieser Misere ist der Absturz längst nicht beendet. Denn nun kommt noch dazu, dass die amerikanische Börsenaufsicht SEC gegen Boeing ermittelt (ptz/dpa/rtr 2020).

Und weil das alles ein wirklich beeindruckender Erfolg ist, erhält der dafür mindestens mitverantwortliche, nun gefeuerte CEO Dennis Muilenberg schnell noch die bescheidene Abfindung in Höhe von 62 Millionen US Dollar (oka/Reuters 2020). Der nun folgende Sanierungsexperte David Calhoun bekommt indes als Jahressalär satte “1,4 Millionen Dollar im Jahr, kann aber über langfristige Anreize 26,5 Millionen Dollar einnehmen.” (a.a.O.) Das ist doch eine klare Ansage: Zerstören ist wertvoller als wieder aufbauen!

Folgen für die US Wirtschaft

Dank des Segens von Multinationalen Konzernen (MNC) kann sich nun die US Wirtschaft über ein geringeres Wachstum freuen, als ohne die Boeing Krise. Über die weitreichenden Zuliefererketten und Airlines kommt es zu möglicherweise messbaren Einschränkungen der gesamten US amerikanischen Wirtschaftsleistung: US Finanzminister “Mnuchin sagte dem Sender Fox Business, ohne das Debakel um den Unglücksflieger Boeing 737 Max würde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr um drei Prozent zulegen. Nun werde das Wachstum näher an 2,5 Prozent liegen.” (kko/dpa-AFX 2020) Abgesehen mal davon, dass die Sucht nach fortwährendem Wirtschaftswachstum an sich mehr als fragwürdig ist, zeigt diese befürchtete Entwicklung doch eines:

Globale Konzerne sind hochgradig gefährlich für Volkswirtschaften. Die Konzentration von derart viel Wirtschaftsleistung unter einem Dach ist alles andere als krisenrobust. Das Gegenteil ist der Fall. Nicht umsonst betitelte der deutschstämmige britische Ökonom Ernst Friedrich Schumacher sein großartiges Buch “Small is beautiful.” Da brauch man kein Überflieger sein, um zu verstehen, dass viele kleinere, dezentrale Unternehmen in Summe deutlich weniger krisenanfälliger sind. Somit stellt sich einmal mehr die Frage: Gelangen wir allmählich an das Ende der Konzernokratie?

Gerade in Zeiten der allgegenwärtigen digitalen Transformation stellt sich mir die Frage, wann nicht mehr das Credo und Diktum gilt: Je größer desto besser. VW, seinerseits durch das vergleichbare #Dieselgate geschädigt und noch längst nicht raus aus der Misere, scheint jedenfalls noch immer nichts begriffen zu haben. Die Vorstände, Aufsichtsräte und Aktionäre laufen noch immer demselben goldenen Kalb schieren Wachstums hinterher. Wir sind noch weit weg von einer gemeinsamen Einsicht, dass diese Zwangsstörung des Wachstums und der Marktführerschaft auch auf dieser Ebene ihre Auswirkung hat.

 

Herzliche Grüße

Andreas

 

Quellen

 

Bildnachweis

  • Beitragsbild: Offizieller Download der Boeing Website
  • VW. Vorwärts in die Vergangenheit: Screenshot Website unternehmensdemokraten
  • Dennis Muilenberg: Hawaii Air National Guard, CC BY 2.0

 

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