Beraterischer Auftrag in Zeiten des Klimawandel

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Neue Arbeitsformen, Geschäftsfelder und Wachstumsstrategien sind unser täglich Brot. Aber welche Rolle spielen wir Unternehmensberater*innen wenn es um die Nachhaltigkeit und den Klimaschutz geht?

Der Klimawandel wurde für mich zum Klimanotstand an dem Tag als die Regierung die Eckpunkte zum Klimapaket verabschiedete. Es war der 25.09.2019, einige Tage zuvor waren 1,4 Millionen Menschen weltweit auf die Straße gegangen, um beim Klimastreik auf die Dringlichkeit von großen Lösungen hinzuweisen. Die Reaktion der Politik? Desolat: Ein Klimapaket, das nicht mal vorgaukelt den Herausforderungen gewachsen zu sein.

Das erste Mal in meinem Leben bekam ich das Gefühl, dass der Staat es nicht im Griff hat bzw. nach etwas greift, das am Ende niemandem etwas nützt. 

An diesem Tag wurde mir klar, dass ich mich in der Klimafrage nicht auf den Goodwill von Politiker*innen verlassen konnte. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass sich gerade etwas Großes vollzieht. Eine Zeitenwende, in der ich entweder zum Spielball werde oder meinen Beitrag leisten kann. Also was tun? Dass ich als Privatperson meine Ernährungsweise und mein Konsumverhalten anpasse, war mir bereits davor klar und umgesetzt. Nur was nützt das in Anbetracht von Regierungen und Unternehmen, die weiterhin so tun als gehe sie das ganze Problem nichts an?

Als systemische Unternehmensberaterin bin ich in engem Kontakt mit Multiplikator*innen in Organisationen, die einen nicht unerheblichen Einfluss auf CO2-Emissionen und andere Einflussfaktoren haben. Nur zu gerne würde ich diese Kontakte nutzen, um das Problem- sowie das Lösungsbewusstsein in die Unternehmen zu tragen. Wäre da nur nicht das ungute Gefühl, mit meinen Ansichten in Unternehmen keinen Pokal gewinnen zu können. Es kommt tatsächlich auch heute noch vor, dass ich mich erkläre, wenn ich in der Kantine nicht das Schnitzel wähle. 

Noch bis vor Kurzem stieg dann eine merkwürdige Scham in mir hoch. Bewege ich mich in der Business-Blase ansonsten sicher und überzeugend, verlor ich bei dem Thema Nachhaltigkeit meine Schlagkraft. Als Berater*innen haben wir gelernt, den Auftrag des Kunden oder der Kundin haarscharf zu klären, uns daran immer wieder zu orientieren und mit den eigenen Wertungen äußerst sparsam umzugehen. Das Motto heißt: “Die Antwort liegt im Kundensystem”. Was jahrelang für mich bestens funktioniert hat, wurde nun zum Problem. Wenn ich mit Hinblick auf die Klimakrise genauso beraten würde, wie auf andere relevante Entwicklungen, würde ich mich mit meinen Kunden auf die Anpassungsleistung konzentrieren: “Wie muss die Organisation denken, fühlen sein, um sich in der Digitalisierung, Globalisierung oder auch Klimakrise gut zu positionieren und wie kommt sie dahin?” Aber kann das reichen?

Komme ich zu den Unternehmen, die ich berate, gehe ich häufig vorbei an riesigen Fuhrparks von Statusfahrzeugen. Ich nehme an Meetings teil, zu denen die Hälfte der Teilnehmer*innen eingeflogen werden – Notwendigkeit höchst fraglich. Letztlich werde ich dafür engagiert, um einen Wirtschaftsbetrieb noch wirtschaftlicher zu machen. Was in den meisten Fällen auch bedeutet noch weniger nachhaltig. 

Den Job an den Nagel hängen ist keine Option für mich, zumal ich mich frage, welche Alternativen denn besser wären. Manchmal bin ich ratlos. Und mit dieser Ratlosigkeit im Gepäck stellte ich mich im letzten Sommer auf eine Bühne: Bei einem Symposium für systemische Berater*innen machte ich öffentlich, was mich bewegt und welche Fragen ich mir stellte: “Wie kann ich das Thema Nachhaltigkeit bei Kunden platzieren, auch wenn das nicht der Auftrag war?”, “Welche Strategien führen zum 2-Grad-Ziel?”, “Warum beschäftigen wir uns noch mit Gewinnmaximierung, wenn das Haus brennt, in dem wir leben?”

Was danach passierte lässt mein Herz noch heute höher schlagen. Schnell kamen zig Kolleg*innen auf mich zu, äußerten dieselben Bedenken und gaben zu, sich mit den gleichen Fragen zu konfrontieren ohne den Hauch einer Idee zu haben, was die Antwort sein könnte. Wir alle sind wirtschaftliche abhängig von unseren Aufträgen aus einer Industrie, die sich noch viel zu häufig gegen das Offensichtliche abschirmt. 

Aus diesem Dilemma entstand die erste von einer Reihe von Online-Sessions zum Thema “Klimaverantwortung in der Arbeit mit Unternehmen”, die ich zusammen mit meinem Kollegen Markus Kristen organisiere. Eingeladen waren alle, die als interne oder externe Berater*innen mit Unternehmen arbeiten und die das Thema Klimaverantwortung auf irgendeine Weise in ihre Arbeit integrieren wollen. Bereits in den Vorbereitungen wurden wir konfrontiert mit der gesamten Bandbreite an Reaktionsmustern. So wurden wir zum Einen als “Alarmisten” betitelt und zum Anderen mit Dankbarkeit und Zuspruch beschenkt. Zu diesem Zeitpunkt war es Gold wert, dass wir zu zweit waren, uns so über unsere Zweifel austauschen und uns gegenseitig bestärken konnten. “Compassion fatigue” beschreibt den Zustand, den häufig Menschen haben, die sich für andere einsetzen und sich in Anbetracht der riesigen Wirkzusammenhänge hilflos, müde und antriebslos fühlen. Las ich die Zeitungen oder Studien mit drastischen Zahlen zur aktuellen Klimaforschung, hatte und habe ich auch Tage, an denen ich denke: “ach, ist doch auch egal alles.” Konzentriert man sich auf das, was in den letzten Jahrzehnten an Schäden aber auch an Möglichkeiten ignoriert worden ist, will man nur schreien. Oder sehr laut schweigen. Der Zusammenhalt und die Energie der immer größer werdenden Masse an Menschen, die sich solidarisieren und aktiv sind, gibt mir dann immer wieder den nötigen Anschwung, um weiter zu machen. Bei unserem ersten interaktiven Online-Meeting am 7.11. kamen ca. 30 Berater*innen zusammen. Schauen wir auf das, was wir auch jetzt immer noch tun können, erwachen wieder die notwendigen Kräfte. So konnten wir in diesem Online-Meeting feststellen, wie hilfreich es schon allein ist zu wissen, dass es viele gibt – sehr viele, die bereit dazu sind, etwas anders zu machen und etwas zu verändern. 

Als Berater*innen helfen uns schon lange Perspektiven, die Möglichkeiten eröffnen anstatt im Problem verhaftet zu bleiben. Das befähigt uns auch bei dem gigantischen Problemfeld Klimakrise weiter zu denken und zu handeln und uns nicht überrollen zu lassen von alten Glaubenssätzen und überholten Denkmustern. Aus der systemischen Beratung heraus entsteht nicht nur die Option mehr zu bewirken. Es entsteht auch die Fähigkeit mehr zu bewirken und damit die Verantwortung, dies auch zu tun.

Aus meiner Erfahrung des letzten Jahres haben sich mindestens drei Fragestellungen ergeben, die immer wieder auftauchen:

  1. Was kann ich selbst tun, um das Klima zu schützen?
  2. Was kann ich im Kundensystem anstoßen, um notwendige Anpassungen anzuregen?
  3. Welchen Einfluss habe ich auf globale Entscheidungen?

Oftmals werden diese Fragen gegeneinander ausgespielt. Dann heißt es: “es macht doch keinen Unterschied wie viel Auto ich fahre, wenn sich in der Politik nichts ändert.” Oder: “Wenn die Friday for Future Kids danach zu McDonalds gehen, dann können die es ja nicht ernst meinen.”

Es ist natürlich leichter, die Wirksamkeit und Wahrhaftigkeit der Anderen in Frage zu stellen, als die eigenen Gewohnheiten zu überdenken. Aber diese Dissonanzauflösung wird uns nicht helfen. Es ist höchste Zeit zu verstehen, dass alle drei Ebenen der drei Fragestellungen zusammenwirken. 

  1. Wenn ich als Individuum begreife, dass ich Teil des Problems bin, kann ich auch Teil der Lösung sein.
  2. Wenn ich es schaffe, meine Überzeugungen nicht zu verstecken, sondern zu teilen, erweitere ich meine eigenen Grenzen und schaffe mir Gestaltungsmöglichkeiten.
  3. Und wenn ich verstehe, dass ich verbunden bin in der Welt, dann kann ich die Erfahrung machen, dass ich auch dort wirksam sein kann.

Klar ist, dass sich radikal etwas ändern muss. Die Frage ist, ob wir diese Veränderung noch steuern können, oder ob wir von ihr gesteuert werden. Vielleicht ist es dieselbe Frage, die sich Unternehmen derzeit vor allem mit Blick auf die Digitalisierung, den demographischen Wandel oder die Globalisierung stellen: Wie müssen wir sein und wie müssen wir denken, um den Entwicklungen nicht nur stand zu halten, sondern um sie aktiv mitzugestalten und sie als Chance zu begreifen? Systeme streben nach Stabilität. Uns stehen Umwälzungen bevor, wie wir sie zu unseren Lebzeiten kaum erlebt haben. Das ist beängstigend. In der Radikalität der Krise findet sich aber auch die Möglichkeit uns radikal neu zu erfinden.

Lautet mein Auftrag heute zusammen mit einem Unternehmen eine Vision zu entwickeln und eine Strategie zu bauen, dann frage ich wie bisher auch nach Einflussfaktoren. Genannt werden dann üblicherweise neben markt- und branchenspezifischen Parametern auch die üblichen Verdächtigen wie Digitalisierung, Fachkräftemangel und Globalisierung. Hier die Umweltbedingungen nicht zu nennen, gleicht dem Bild den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen. Das Offensichtliche gerät aus dem Blick. Meine Aufgabe als Beraterin ist es, blinde Flecken aufzudecken sowie Chancen und Risiken zu benennen. Und das ist der Grund, weshalb Klimaverträglichkeit und Klimaschutz ab jetzt einen festen Platz in meinem Portfolio haben.

 

Herzliche Grüße

Constanze

 

Bildnachweis

  • Alle Bilder: pixabay, lizenzfrei

 

 

Comments (3)

Liebe Constanze,

erst mal hier offiziell vielen Dank für diesen wichtigen Beitrag! Das allererste und trivialste, was mir dazu einfällt: Es wäre schon einiges gewonnen, wenn wir Berater*innen mal anfangen würden, nicht dauernd Mandate hunderte Kilometer von unserem Wohnort entfernt anzunehmen. Sondern vielmehr lokal zu arbeiten. Mir kann niemand erzählen, dass es in München oder Stuttgart nicht ausreichend viele Kolleg*innen gibt, die nicht nur fachlich passen, sondern auch hinsichtlich des wichtigsten (unspezifischen) Wirkfaktors, der Beziehung Klient – Berater.

Wir Unternehmensdemokraten versuchen jedenfalls, maximal viele Mandate in Berlin zu bekommen, um die ganze wahnwitzige Rumreiserei einzudämmen. Pervers wird es, wenn Berater*innen noch auf andere Kontinente fliegen, um dort ihre Leistung zu vollbringen.

Damit geht m.E. ein Selbstbild in unserer Branche einher, das ich ziemlich problematisch finde. Der professionelle Selbstwert wird nicht selten bewusst oder unbewusst an die Intensität der Reisetätigkeit gekoppelt. Allerspätestens wer mit Bonusmeilen im Flieger sitzt, hat für mich jede Glaubwürdigkeit in Sachen rücksichtsvolles Klimaverhalten verspielt.

Liebe Constanze, danke Dir für Deine Zeilen! Wir diskutier(t)en das hier im Rheinland auch intensiv, bei “Systemic for Future” im Januar 2020 in Remscheid und ständig bei den facilitatorsforfuture.org im Austausch. Es ist sicher eine Herausforderung, sich einen Auftrag selbst zu schreiben und dann auch dran zu bleiben. Und das ist es wert. Und muss sein.

Lieber Andreas, pflichte Dir bei. Ja, das professionelle Selbstbild auch bei mir hing bis vor einiger Zeit an dem Radius der Aktivitäten, obschon der natürlich über meine Qualität nix aussagt. Und über meinen Beitrag schon gar nix.

Ich glaube, wir Begleiter:innen, Coaches, Facilitators (vielleicht auch Berater:innen) werden zukünftig eine noch wichtigere Rolle in den auf uns zukommenden Umwälzungen bekommen, weil viele von uns das Handwerkszeug und auch die Haltungen haben, Wandel wirkkräftig zu unterstützen, egal ob in Wirtschaft, Politik oder Gesellschaft.

Liebe Kolleg*innen!
Ich danke Euch für dieses Engagement. Ich gehöre zu der Generation, der es in unseren Gefilden noch für ein komfortables Leben reicht. Doch finde ich, dass es zu unserer Würde gehört, dass wir uns ruinösen Gewohnheiten engegenstemmen. Auch mir ist erst im Laufe der Zeit klar geworden, in welchem Masse unser ganzes Wirtschafts- und Kultursystem auch auf Ausbeutung und Missbrauch beruht. Doch wie Constanze richtig schreibt, ist niemandem gedient, wenn wir uns aus diesen Systemen ausklinkten. Und es wäre auch elitär, sich in Nischen zurückziehen zu wollen. Bei aller Dringlichkeit müssen auch wir den schwierigen Weg gehen, unseren Beitrag im Konkreten und im alltäglichen Vollzug zu leisten. Es ist eine nicht zu unterschätzende Gestaltungsaufgabe, sich nicht nur ein “grünes Gärtchen” anzulegen, sonndern diese Anliegen in das Kerngeschäft einzubringen, beizutragen, dass größere Gärtnereien anders wirtschaften lernen. Das tun wir als Handlungssteuernde Perspektive neben den anderen mit unseren Mitteln und unseren Kompetenzen. Und wir tun es dort, wo man auf uns hört oder empfänglich sein könnte. Wie sonst sollte Wirkung möglich sein?
Dafür setzen sich die Menschen im isb und in der Schmid-Stiftung ein. Gerne beteiligen wir uns an einem Generationen übergreifenden Engagement. Ansprechpartnerin ist insbesondere unsere Tochter Judith.

Bernd Schmid (Gründer isb)

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