Verkaufsoffener Sonntag. Brauchen wir das?

Stadtzauber Aurich - Marktplatz 002

Verkaufsoffener Sonntag: In einem gemeinsamen Gespräch mit Dr. Andreas Zeuch zum Thema “Organisationsdemokratie und pro-demokratische Einstellung” kamen wir zum Thema verkaufsoffene Sonntag. Früher kein großes Thema doch in den letzten Jahren kam es immer wieder zu Diskussionen mit der Gewerkschaft ver.di. Zusätzlich können wir gerade in den sozialen Medien lesen, wie gespalten die Meinung zum Thema “Verkaufsoffene Sonntage” ist. Die einen wollen den freien Sonntag für die Familien, die anderen kämpfen um etwas mehr Umsätze, um überhaupt überleben zu können. Aus diesem Gespräch entstand die Idee für diesen Gastbeitrag.

Verkaufsoffener Sonntag: Aus Sicht einer Kundin

Vicki Janssen über den verkaufsoffenen Sonntag
Vicki Jansssen

Nicht erst seit der Pandemie sprechen wir über sterbende Innenstädte. Selbst in sogenannter A- und B-Lage gibt es inzwischen Leerstand. Meine ersten Berührungspunkte mit diesem Thema hatte ich ca. 2010 – damals aus Sicht einer Kundin. Da ich ein digital affiner Mensch bin und gern neue Produkte teste, begeisterte mich das Internetshopping von Anfang an. Die Innenstädte interessierten mich dafür recht wenig. Klar, ab und zu mal bummeln, Kaffee trinken oder mit Freunden zum Stadtfest, das hat mir gefallen. Das war es aber auch schon. Dadurch, dass ein paar meiner Lieblingsläden schließen mussten und Kik bzw. Tedi in bester Lage einen Laden eröffneten, wurde die Stadt für mich noch unattraktiver. Zudem lebte ich damals sehr dörflich. Nach der Arbeit noch mit dem Auto in die Stadt, einen Parkplatz suchen, dann eh nicht das bekommen, was ich wollte? Nee, das war nicht mein gewünschtes Shoppingerlebnis. Jedoch am Sonntag ganz in Ruhe bummeln, mit der Familie ein Eis essen und Bekannte treffen, das hatte was.

Nun war ich in der glücklichen Situation, dass ich an der Nordsee lebe. Durch die niedersächsischen Ladenöffnungszeiten ist es möglich, in Orten wie Greetsiel auch am Sonntag shoppen zu gehen. Die Geschäfte sind meist ab 13 Uhr geöffnet. Also konnten wir ganz in Ruhe frühstücken, Pläne schmieden und dann ab an die Küste. Dort gab es Kaffee und Kuchen oder gleich das Mittag- oder Abendessen und wir konnten durch den Ort flanieren. Wie im Übrigen viele andere Menschen auch. Es war meist sehr voll.

Ähnlich war und ist es am Sonntag, wenn in Aurich ein verkaufsoffener Sonntag ist. Dafür braucht es jedoch einen besonderen Anlass. Nehmen wir als Beispiel den Heidemarkt. Ab dem Vormittag sind die Marktbeschicker auf dem Markt und verkaufen Blumen und Deko. Zusätzlich wird immer für das leibliche Wohl gesorgt. Ab 13 Uhr öffneten dann die Geschäfte der Stadt. Ja, auch die Geschäfte, die nicht zur Innenstadt zählten, wurden geöffnet. Das ist heute nicht mehr so einfach möglich. Denn ver.di klagt immer öfter gegen die Sonntagsöffnung und schränkt den Bereich, der zur Innenstadt gehören muss, ein. Eine Entwicklung die ich selbst als Kundin kritisch betrachtet habe und auch weiterhin beobachte, da ich ein Freund von Fairness bin. Wo bleibt jedoch die Fairness, wenn die einen am Sonntag öffnen dürfen, nur weil sie den Laden am richtigen Ort haben bzw. online aktiv sind und die anderen eben nicht? Das ist doch kein fairer Wettbewerb. Darum habe ich ein Gespräch mit Udo Hippen geführt. Er ist der Vorstandsvorsitzende von unserem kaufmännischen Verein hier in Aurich.

8 Fragen an Udo Hippen, Vorstand des Kaufmännischen Vereins in Aurich

Udo Hippen

Udo, du bist der Vorstandsvorsitzende vom Kaufmännischen Verein Aurich. Seit wann bist du in dieser Position und was macht so ein kaufmännischer Verein eigentlich?

Ich bin im sechsten Jahr als Vorsitzender der Auricher Kaufmannschaft ehrenamtlich tätig. Gemeinsam mit meinen fünf Vorstandskollegen, die aus den verschiedensten Bereichen kommen, haben wir uns auf die Fahnen geschrieben, die Interessen der Kaufleute zu vertreten, mit Aktionen die Attraktivität Aurichs als Einkaufsstadt zu stärken und aktives Marketing für unsere Stadt zu betreiben. Wir sind die Lobbyisten Aurichs und kämpfen mit viel Herzblut für unsere schöne Stadt!

Ich erwähnte bereits, dass früher auch die Gewerbegebiete und umliegenden Straßen zu diesen Events geöffnet werden durften. Wann kamen denn die Einschränkungen, dass nur noch die Innenstadt geöffnet werden darf?

In Aurich hatten wir eigentlich nie Probleme damit, verkaufsoffene Sonntage für die gesamte Stadt zu veranstalten. Zum einen ist es so, dass wir stets eine Traditionsveranstaltung haben, an die wir die Sonntagsöffnung flankierend anhängen. Tatsächlich ist es gefordert, dass die Veranstaltung den Verkaufssonntag überstrahlen muss und auch als Einzelaktion funktioniert. Dies nehmen wir in Aurich sehr ernst, denn wir möchten, dass unsere Verkaufssonntage nie etwas Beliebiges sind. Wir möchten im positiven Sinne Akzente setzen. 2018 hat es erstmals Probleme mit dem Wirkungsgrad der Veranstaltung, also dem zugelassenen Bereich für die Sonntagsöffnung gegeben. Allerdings konnten wir damals die „Probleme“ im persönlichen Dialog mit der Gewerkschaft noch aus dem Weg räumen. Uns geht es mit den verkaufsoffenen Sonntagen darum, Standortsicherung zu betreiben, über interessante Aktionen neue Besucher und Kunden nach Aurich zu locken, einfach den Status Aurichs als Einkaufsstadt zu untermauern und so natürlich auch Arbeitsplätze im Einzelhandel zu sichern. Wir haben mit unseren Forderungen und Wünschen nach Sonntagsöffnungen nie über das Ziel hinausgeschossen, denn wir möchten diese Aktionstage nicht inflationär einsetzen. Im Idealfall würden wir gerne, gleichmäßig über das Jahr verteilt, viermal öffnen. Die Möglichkeiten sind dazu laut Gesetz vorhanden.

Das ist eine gute Entscheidung. Klingt fair und umsetzbar. Und doch ist es oft so, dass der Jeansladen in der Innenstadt verkaufen darf, der in der Nebenstraße oder im Gewerbegebiet nicht. Wie reagieren die Mitglieder unseres kaufmännischen Vereins darauf? Wie sehen die Kunden diese Einschränkung?

Natürlich ist dies kein fairer Wettbewerb. Vielmehr wird der stationäre Handel geschwächt. Einkaufsstädte leben davon, dass sie in der Lage sind, den mit Service und Beratung gepaarten Einkauf mit Emotionen zu verbinden, die in Kombination für ein ganz besonderes Erlebnis sorgen können. Dem stationären Handel muss aber auch die Möglichkeit geboten werden, seine Stärken ausspielen zu können. Den Kunden ist es eigentlich gar nicht zu erklären, warum während des letzten Heidemarktes die Geschäfte in der Fußgängerzone Aurichs zwar öffnen durften, die Läden im Shoppingcenter CARO, das ein wichtiger Teil der Innenstadt ist, aber nicht. Diese Entscheidung, die auf die ablehnende Haltung der Gewerkschaft zurückzuführen ist, sorgt nur noch für Kopfschütteln.

Klick führt zur Website mit verkaufsoffenen Sonntagen

Ein weiteres Problem ist die teils kurzfristige Absage der verkaufsoffenen Sonntage. Nehmen wir das Beispiel eines Blumenladens. Die Ware muss vorab bestellt werden. Die Sonntage sind verkaufsstarke Tage und somit will der Händler eine gute Auswahl bieten. Dann kommt die Absage der Veranstaltung ein oder zwei Tage vorab, weil ver.di geklagt hat oder klagen möchte. Er hat die Ware jedoch bestellt, Personal eingeplant usw. Bleibt er auf den Kosten sitzen? Welche Hilfe kann der Händler in so einem Fall in Anspruch nehmen? 

Als Veranstalter eines verkaufsoffenen Sonntags haben wir ein solches Szenario glücklicherweise noch nicht erlebt. Als Kaufmännischer Verein richten wir unsere Planungen stets so aus, dass wir unseren Mitgliedern bzw. den Kaufleuten möglichst viel Planungssicherheit gewähren können. Dies hatte im Oktober wegen des Heidemarktes zur Folge, dass wir eben nicht mit der Gewerkschaft auf Konfrontationskurs gegangen sind, um die grundsätzliche Durchführung der Veranstaltung nicht zu gefährden. Heißt unterm Strich, dass der Pflanzenmarkt stattgefunden hat und die Pflanzenhändler nicht auf ihrer Ware sitzen geblieben sind. Wermutstropfen war die Tatsache, dass der CARO nicht öffnen durfte. Ärgerlich!

Schauen wir auf die aktuelle Situation. Der Weihnachtsmarkt musste über Monate neu geplant werden. Konzepte wurden erarbeitet, Händler gefunden. Nun kommt eine Einschränkung nach der nächsten. In anderen Orten konnten die Weihnachtsmärkte nicht mal eröffnen. Werden hier Hilfspakete für die betroffenen Veranstalter und Händler erwartet? Die finanzielle Lage der Betroffenen dürfte angespannt sein.

In Aurich sind wir erst einmal stolz darauf, dass wir als einzige Stadt in Ostfriesland bis zum Fest einen Weihnachtsmarkt veranstaltet haben. Gemeinsam mit dem Stadtmarketing und den Schaustellern sind wir als Veranstalter standhaft geblieben und haben dadurch ein Signal der Stärke in die ganze Region gesendet. Für uns als Veranstalter, aber natürlich auch für die Schausteller als Beschicker ist es sicherlich keine einfache Zeit gewesen. Welche Möglichkeiten es am Ende gibt, finanzielle Hilfen in Anspruch zu nehmen, müssen wir schauen. Natürlich strecken wir unsere Fühler danach aus.

Was wünschst du dir – bzw. die Kaufmannschaft aus Aurich – für die zukünftige Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften bzw. mit der Politik?

Von den Gewerkschaften würde ich mir wünschen, den Wert von verkaufsoffenen Sonntagen als wichtige Aktionstage zur Stärkung des stationären Handels zu erkennen. Letztlich geht es immer nur darum, Standorte zu sichern und Arbeitsplätze zu erhalten. Da wir in Aurich sehr konservativ mit der Planung von Aktionstagen umgehen, also auch die Mehrbelastung für die Betriebe und deren Mitarbeiter berücksichtigen, hoffe ich auf einen gemeinsamen Konsens, anstatt sofort mit der Klageschrift zu drohen.

Dein Fazit: Brauchen wir verkaufsoffene Sonntage? 

Verkaufsoffene Sonntage sind ein wichtiges Mosaikstück im überregionalen Marketing einer Einkaufsstadt. Viele Argumente dafür hatte ich bereits genannt, aber derartige Aktionstage sind ideal dafür, neue Besucher und Kunden für eine Einkaufsstadt zu begeistern. Der „Stadtzauber“ im September und der „Heidemarkt“ im Oktober sind beste Beispiel dafür.

Vielen Dank für das Interview und damit den Blick hinter die Kulissen, Udo. 

Verkaufsoffener Sonntag: Wie sehe ich das als Citymanagerin der Stadt Aurich?

Heidemarkt mit verkaufsoffenen Sonntag 2021
Heidemarkt mit verkaufsoffenen Sonntag 2021

Heute bin ich beinahe täglich mit vielen Menschen im Gespräch. Egal, ob Einzelhändler in der Innenstadt, Gastronomen, Händler und Dienstleister im Umland, Kunden, Vertreter der Politik usw. Jeder hat aus seiner Perspektive gute Argumente für und gegen einen verkaufsoffenen Sonntag. Händler und Gastronomen haben es gerade schwer. Sie brauchen die Umsätze, um überhaupt weitermachen zu können. Zu Beginn der Pandemie erwiesen sich viele Händler und Gastronomen als kreativ. Es blieb ihnen auch nichts anderes übrig. Kunden konnten recht schnell die gewünschte Ware online bestellen, sich telefonisch beraten lassen, über QR Codes im Schaufenster ordern oder was auch immer. Es war beeindruckend.

Dann durften die Läden wieder öffnen und viele Verkaufswege schliefen ein. Ein Schritt, den ich bis heute nicht verstehen kann. Zeigen doch die Zahlen, dass der Onlinehandel weiter boomt und es ein Zurück nicht mehr geben wird. Gerade erst vor ein paar Wochen fand der Deutsche Handelskongress statt. Die Trends bzw. die nackten Zahlen sprechen Bände. Hier (https://einzelhandel.de/index.php?option=com_attachments&task=download&id=10572) können Sie sich einen eigenen Überblick verschaffen.

Wer sich zukunftsfähig aufstellen möchte, kommt an einer Omnichannel-Lösung kaum noch vorbei. Kunden sind heute in großer Anzahl online und offline unterwegs. Sie kaufen die gewünschten Produkte, wann sie wollen, wo sie wollen, wie sie wollen. Zusätzlich verändert sich das Konsumverhalten dahingehend, dass heute hinterfragt wird, wo die Produkte herkommen. Sind sie gesund und wurden sie nachhaltig produziert? Brauche ich das Produkt wirklich? Muss ich es für mich kaufen oder kann ich es irgendwo ausleihen? Kunden werden also immer bewusster in ihrem Einkaufsverhalten. Auch das wird Auswirkungen haben. Nicht heute, jedoch sicher in naher Zukunft.

Gerade aus den genannten Gründen bietet der stationäre Handel einige Vorteile. Der Kunde bzw. die Kundin kann die Produkte sehen, fühlen, schmecken, riechen und sofort mitnehmen. Ein Verkäufer bzw. eine Verkäuferin, die zuhört und mit Fachwissen auf den oder die Kundin eingeht, ist enorm wichtig. Menschen kaufen bei Menschen. Kompetenz, gepaart mit einem attraktiven Geschäft, einem guten Angebot, verschiedenen Events und der Sichtbarkeit auf den unterschiedlichen Online-Kanälen, sind aus meiner Sicht sehr wichtig für einen zukunftsfähigen Einzelhandel in der Innenstadt.

Das allein wird die Innenstadt nicht retten. Auch der Kunde ist gefragt. Durch die Pandemie und den Lockdown haben sich die Menschen zwangsläufig mit dem Internet-Shopping auseinandersetzen müssen. Vielen haben gute Erfahrungen gemacht, ein paar Dinge – wie zum Beispiel der Verpackungsmüll oder Fake-Shops – führten ggf. eher dazu, wieder vor Ort einzukaufen. Außerdem haben offensichtlich die Menschen das Einkaufserlebnis in der Stadt vermisst. Gott sein Dank! Bummeln und dann einen Kaffee oder Tee genießen, die neue Kleidung direkt anprobieren, das liebe Gespräch mit den Ladenbesitzern oder auch der Schock, wenn der Lieblingsladen geschlossen wurde.

All das zeigt den Menschen, dass eine bunte Innenstadt nicht selbstverständlich ist. Die Schaufenster sind hübsch gestaltet, die Weihnachtsbeleuchtung kommt oft von den Händlern in der jeweiligen Straße, die Vereine werden von den ortsansässigen Unternehmen unterstützt. Die Stadtplaner sorgen für eine gute Verkehrsanbindung, Straßenbeleuchtung, Sitzgelegenheiten und einer angenehmen Verweildauer. All das würde verloren gehen, wenn wir nicht mehr bei den Händlern vor Ort bzw. in der Innenstadt einkaufen.

Wie geht es den Beschäftigten im Handel damit?

Kommen wir nun zu den Angestellten im Handel. Über sie wurde in der Pandemie am Anfang viel gesprochen. In den Supermärkten meist, weil sie den Laden am Laufen hielten. Über die Beschäftigten in den kleinen Läden eher, weil sie durch Kurzarbeit noch weniger Geld verdienten. Hier traf es oft junge Mütter, Menschen in Teilzeit oder Geringverdiener. In den Medien tauchen immer wieder Berichte auf, wie viele Stellen im Einzelhandel wegfallen werden. Dies trifft nach meiner Kenntnis eher die großen Ketten wie Zara, H&M und Co. In kleineren und inhabergeführten Läden kam es dagegen laut Berichten kaum oder seltener zu Entlassungen.

In persönlichen Gesprächen mit Angestellten hier in Aurich wurde klar unterstrichen, dass sich die Befragten gefreut haben, endlich wieder loszulegen. Gerade in den Sommermonaten hatten wir viele Touristen in der Stadt und diese bummelten gern durch unsere Einkaufsstraßen. An den verkaufsoffenen Sonntagen arbeiten die Angestellten gern. Es ist ein besonderer Shoppingtag, ein Event. Die meisten Inhaber lassen sich mit Ihren Beschäftigten einiges einfallen. Das macht dann natürlich nicht nur den Kunden viel Spaß sondern auch den Angestellten. Und es soll auch nicht unerwähnt bleiben, dass die Sonntagsarbeit entsprechend entlohnt wird. Udo Hippen beton noch einmal, dass wir den verkaufsoffenen Sonntag nur viermal im Jahr durchführen. Das ist für alle Beteiligten völlig in Ordnung. An den Adventssamstagen gibt es in Aurich nur eine lange Shoppingnacht. In anderen Städten müssen viele Verkäufer:innen jeden Adventssamstag bis Mitternacht hinter dem Tresen stehen. Das ist nicht das, was wir wollen. Finde ich Berichte auf Facebook und Co zu diesem Thema, lese ich immer wieder folgende Aussagen: “Lasst den Verkäufer:innen den freien Sonntag.”; “Der Sonntag muss arbeitsfrei bleiben.” JA, wir alle brauchen Zeit und Ruhe für die eigene Familie, unsere Freizeitaktivitäten, soziales Engagement. Als zertifizierte New-Work-Beraterin kenne ich diese Themen der freien Zeiteinteilung sehr gut. Es geht darum, im eigenen Biorhythmus zu arbeiten, Pausen zu machen, ein zufriedenes Leben zu führen. Jedoch frage ich mich, ob wir das an einem bestimmten Tag festmachen sollten? Zum einen gibt es genügend Berufe, in denen von jeher am Sonntag gearbeitet werden muss und zum anderen sortiert sich gefühlt gerade alles neu. Und wie bereits erwähnt, wir achten darauf, dass es fair bleibt – für die Inhaber, die Beschäftigten und unsere Kunden.

In den vielen Gesprächen mit den Inhabern der kleinen Läden höre, und viel wichtiger, sehe ich, die große Wertschätzung ihrem Personal gegenüber. Der Fachkräftemangel ist längst auch im Handel angekommen. Somit weiß der größte Teil der Händler engagiertes und gut geschultes Personal zu schätzen. Damit einher geht eine faire Bezahlung und die Einteilung der Arbeitszeiten, die zum jeweiligen Lebensmodell passen.

Bevor Sie mich jetzt für einen naiven Menschen halten, stopp. Mir ist klar, dass es auch hier schwarze Schafe gibt. Sicher hat nicht jeder oder jede Geschäftsinhaber:in genügend Empathie. Sicher gibt es auch hier noch Arbeitgeber, die Angestellte ausnutzen, schlecht bezahlen und auf private Belange wenig Rücksicht nehmen. Genau hier ist die Arbeit der Gewerkschaften und anderer Vertreter / Organisationen wichtig. Und damit komme ich auch zum nächsten Punkt.

Was fordert ver.di eigentlich genau?

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft fordert gemeinsam mit der bundesweiten Allianz für den freien Sonntag, den Erhalt des freien Sonntags und des Ladenschlusses. Somit soll allen Beschäftigten eine gesunde Work-Life-Balance ermöglicht werden. Dies trifft im Übrigen nicht nur den stationären Handel. Auch gegen Amazone und Co. klagt ver.di immer wieder erfolgreich. Jetzt könnten wir in die Diskussion gehen. Wer hat Recht? Der freie Sonntag ist wichtig, klar. Wenn die Händler aber keine Umsätze mehr machen, werden sie Personal entlassen und die Läden schließen. Was wird dann aus den Innenstädten?

Ich denke, wir würden uns im Kreis drehen. Nicht nur ver.di hat ein Positionspapier zur Zukunft der Innenstadt herausgegeben. Die Innenstädte werden sich verändern. Es liegt an Jedem von uns, wie die Innenstadt in der eigenen Region aussehen könnte. Daher ist für mich wichtig, die Ideen in “Sowohl als auch-Perspektive” zu betrachten. Warum muss denn immer nur nach dem Prinzip “Entweder oder” gehandelt werden? Warum dürfen sich Dinge nicht parallel entwickeln? Hat denn automatisch der eine Recht und der andere Unrecht?

Das ist mir zu kurz gedacht. Wir leben in einer Zeit voller Experimente und Veränderungen. Wir werden Dinge probieren, verwerfen, verändern, weiter modifizieren und wieder neu denken, was übrigens auch im Sinne agiler Politik gut wäre. Genau genommen ist das seit jeher so. Nur das Tempo ist jetzt beeindruckend schnell. Wir brauchen auf der einen Seite den Erfahrungsschatz, soziale Kompetenzen, digitale Fähigkeiten und auch Mut. Weniger “Das geht so nicht, das haben wir noch nie so gemacht und ich will das nicht.” sondern bitte mehr “Lass es uns mal probieren. Wir achten auf Fairness, Nachhaltigkeit und Diversität.”

Brauchen wir also den verkaufsoffenen Sonntag? 

Vielleicht. Wir sollten diesen Tag nicht einfach verbieten. Um einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen, gilt auch hier meine Regel: Probieren, messen, modifizieren und weiter testen. Dann haben wir vielleicht in ein paar Jahren eine klare Antwort. Wenn wir diese überhaupt brauchen.

 

Herzliche Grüße

Vicki

 

Bildnachweis

  • Beitragsbild: ©Udo Hippen, mit freundlicher Genehmigung
  • Portrait Vicki: ©Babette Ehrt, Lichtbildwerkstatt. Mit freundlicher Genehmigung
  • Portrait Udo: ©Udo Hippen, mit freundlicher Genehmigung
  • Heidemarkt: ©Udo Hippen, mit freundlicher Genehmigung

 

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