Was Unternehmen gegen Rechtsextremismus tun können

Beitragsbild Rechtsextremismus

Rechtsextremismus: Im Juni 2024 hat die Organisation Gesicht Zeigen! eine Studie zu Rechtsextremismus in der Arbeitswelt veröffentlicht und erstmals Zahlen zum Phänomenbereich vorgelegt. In diesem Blogbeitrag erklären die Autorinnen der Studie, wie verbreitet Rechtsextremismus in der Bevölkerung und damit auch in der Arbeitswelt ist und warum und wie Unternehmen etwas gegen Rechtsextremismus unternehmen können und sollten.

Ein Gastbeitrag von Sophia Fresen und Vivien Klatt

 

Seit der Veröffentlichung der CORRECTIV-Recherche im Januar 2024 über ein Treffen von Rechtsextremen, Politiker:innen und finanzstarken Unternehmer:innen wird immer öfter debattiert, ob und wie Unternehmer:innen sich gegen Rechtsextremismus positionieren sollten und inwieweit die Wirtschaft eine demokratische Verantwortung hat.

Dabei bleibt die Debatte oft oberflächlich, denn selten ist allen Beteiligten klar, was Rechtsextremismus eigentlich ist. Häufig fehlen Fakten, das Problem wird verharmlost oder negiert und oft bleiben Handlungsempfehlungen im Bereich der öffentlichkeitswirksamen Kampagnen für Vielfalt und Weltoffenheit. Nichts gegen gut gemachte Kampagnen, die eine klare Positionierung kommunizieren und demokratische Haltung zeigen. Allerdings wird zu selten besprochen, wie Unternehmen ganz konkret demokratische Verantwortung übernehmen, präventive Maßnahmen etablieren und Rechtsextremismus im eigenen Betrieb begegnen können.

In diesem Blogbeitrag wollen wir versuchen, Möglichkeiten aufzuzeigen und Antworten zu formulieren. Auf die Fragen, was Rechtsextremismus ist, welche Auswirkungen die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen auf den Arbeitsplatz sowie die Volkswirtschaft haben könnte und warum es sich Unternehmer:innen deshalb nicht leisten können unpolitisch und vermeintlich „neutral“ zu sein. Wir geben Handlungsempfehlungen basierend auf den Erfahrungen aus unserer täglichen Arbeit mit Unternehmen im Kontext Rechtsextremismusprävention und auf Basis von Zahlen, die wir von Gesicht Zeigen! eigens zum Themenkomplex Rechtsextremismus und Arbeitswelt erhoben haben.

Eine Definition von Rechtsextremismus

Sophia Fresen

Aber was verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff „Rechtsextremismus“? Rechts–extrem, das klingt nach einem Randphänomen, nach einem Problem abseits der „Mitte“, nach Gewalt und militanten Überzeugungen. Nach einem abstrakten Phänomen, von dessen Existenz man zwar weiß, aber mit dem das eigene Leben und der Alltag nichts zu tun hat – oder doch?

Rechtsextremismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, denn rechtsextreme Einstellungen existieren bis weit in die sogenannte Mitte. Starten wir mit dem Versuch einer Definition, die zugegebenermaßen nicht leicht fällt, denn der Rechtsextremismusbegriff ist wissenschaftlich umstritten und nicht eindeutig bestimmt. Eine Expert:innengruppe hat sich jedoch auf folgende Arbeitsdefinition geeinigt:

„Der Rechtsextremismus ist ein Einstellungsmuster, dessen verbindendes Kennzeichen Ungleichwertigkeitsvorstellungen darstellen. Diese äußern sich im politischen Bereich in der Affinität zu diktatorischen Regierungsformen, chauvinistischen Einstellungen und einer Verharmlosung bzw. Rechtfertigung des Nationalsozialismus. Im sozialen Bereich sind sie gekennzeichnet durch antisemitische, fremdenfeindliche und sozialdarwinistische Einstellungen“ (Stöss 2010, S. 57).

Auf Basis dieser Definition wurden sechs Einstellungsdimensionen eines rechtsextremen Weltbildes abgeleitet, die in verschiedenen Studien seit Jahren erhoben werden:

(1) Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur, (2) (National-)Chauvinismus, (3) Verharmlosung des Nationalsozialismus, (4) Antisemitismus, (5) Rassismus [früher: Ausländerfeindlichkeit oder Fremdenfeindlichkeit], (6) Sozialdarwinismus.

Alle sechs Dimensionen werden über verschiedene Aussagen gemessen, denen Befragte mehr oder weniger stark zustimmen können (vgl. ebd. S. 58). Vertritt eine Person starke Zustimmung zu den Aussagen aller Dimensionen, hat sie ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild. Es gibt demnach auch Menschen, die einzelnen Aussagen zustimmen und dennoch nicht direkt als überzeugte Rechtsextreme gelten. Das gesellschaftliche Problem und die Gefahr dabei: Der Übergang ist fließend und je mehr Menschen einzelnen rechtsextremen Aussagen zustimmen, desto stärker verschiebt sich der Diskurs, das gesellschaftlich Sagbare und die sogenannte Mitte.

Wie weit verbreitet ist Rechtsextremismus in der Bevölkerung?

Diese Diskursverschiebung lässt sich nicht nur in den öffentlichen Debatten über Migration, die Einschränkung des Asylrechts, Diskussionen über das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, die Sinnhaftigkeit des Genderns, die Notwendigkeit von Umweltschutz oder Versammlungs- und Meinungsfreiheit erahnen. Es gibt seit Jahren auch harte Fakten über die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen in der deutschen Gesellschaft:

Die letzte Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die alle zwei Jahre durchgeführt wird, stellte eine Verdreifachung bei denjenigen fest, die ein geschlossen rechtsextremes Weltbild vertreten: 8% im Jahr 2022/23 gegenüber 2-3% in den letzten neun Jahren (vgl. Zick et al. 2023, S. 70f.).

6,6% der Deutschen befürworten demnach eine rechtsautoritäre Diktatur. Diese Dimension wird unter anderem durch die Aussage „Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert“ gemessen. Ihr stimmten ganze 14% der Deutschen überwiegend oder „voll und ganz“ zu. Der Aussage „Ohne Judenvernichtung würde man Hitler heute einen großen Staatsmann nennen“ (Dimension Verharmlosung des Nationalsozialismus) stimmten ebenfalls 11,6% der Deutschen überwiegend oder „voll und ganz“ zu; weitere 12,5% sind sich nicht sicher! (vgl. ebd., S. 63f.)

Nun sind das Positionen, die im Mainstream glücklicherweise noch nicht allzu sehr angekommen sind. In der Wissenschaft spricht man auch von „sozialer Erwünschtheit“ (u.a. Esser 1986), also von der Tendenz, die eigene Antwort der sozialen Akzeptanz anzupassen und somit die eigentliche Ansicht zu verbergen. Es gibt aber rechtsextreme Positionen, die auch in Talkshows und am Gartenzaun ungeniert geäußert werden. Entsprechend stimmen der Aussage „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet“ (Dimension Rassismus) 27,8% überwiegend oder „voll und ganz“ zu. Nimmt man diejenigen hinzu, die aus Unsicherheit oder aus Scham „teils/teils“ angegeben haben, landet man bei exakt der Hälfte der Deutschen. Rechtsextreme Einstellungen sind also kein Randphänomen, sondern gesellschaftlich weit verbreitet.

Wie wirkt sich dieses gesellschaftliche Klima auf unsere Arbeitsplätze aus?

Was Unternehmen gegen Rechtsextremismus tun können: Autorin Vivien Klatt
Vivien Klatt

Bis vor kurzem gab es weder Zahlen noch Fakten zu einem gesellschaftlich so bedeutenden Bereich wie der Arbeitswelt. Obwohl die allermeisten Erwachsenen einen Arbeitsplatz haben, dort einen Großteil ihres Tages verbringen und es außerdem einer der wenigen letzten analogen Orte ist, an denen Menschen mit verschiedenen Meinungen und Wertvorstellungen aufeinandertreffen, gibt es kaum Untersuchungen zum Thema Rechtsextremismus, Wirtschaft und Arbeitswelt.

Gesicht Zeigen! hat aus diesem Grund im Juni 2024 eine repräsentative Studie veröffentlicht, die erstmals Zahlen zu diesem Phänomenbereich vorlegt: „Unternehmen in Verantwortung! Umfrageergebnisse zu Rechtsextremismus am Arbeitsplatz – Herausforderungen und Handlungsbedarf“.  

In der Studie wird deutlich, was man aufgrund der Ergebnisse der Mitte-Studie und anderer Forschungsprojekte zur Verbreitung rechtsextremer Einstellungen in der Gesamtbevölkerung hat erahnen können:

Jede:r dritte Beschäftigte (32,1%) sowie jede dritte Führungskraft (28,4%) hat am eigenen Arbeitsplatz bereits rechtsextreme Einstellungen wahrgenommen. 7,7% aller Beschäftigten waren sogar selbst betroffen von rechtsextremen Einstellungen, die gegen sie persönlich gerichtet waren. Es ist dabei relativ unerheblich, wo in Deutschland sich die Person befindet, ob sie in einer ländlichen Gegend oder einer Großstadt wohnt und welchem Geschlecht die Person sich zugehörig fühlt.

Bemerkenswert ist jedoch, dass die ostdeutschen Bundesländer bei der Wahrnehmung rechtsextremer Einstellungen im Vergleich zu den westdeutschen Bundesländern sehr ähnliche Ergebnisse aufweisen (Osten: 29,8%| Westen: 32,9%), während andere Studien eine stärkere Verbreitung rechtsextremer Einstellungen in Ostdeutschland messen (vgl. Zick et. al., S. 83). Wir vermuten daher, dass an ostdeutschen Arbeitsplätzen das Vorhandensein rechtsextremer Einstellungen eigentlich höher sein müsste. Da die Studie jedoch lediglich die subjektive Wahrnehmung messen kann, können rechtsextreme Einstellungen insbesondere dort unerkannt bleiben, wo eine Normalisierung dieser Einstellungen bereits weiter fortgeschritten ist. Diese Vermutung soll jedoch weder Unternehmen in westdeutschen Bundesländern aus der Verantwortung entlassen noch die ostdeutschen Bundesländer an den Pranger stellen, denn Fakt ist: Wenn 30% der Beschäftigten im gesamten Bundesgebiet Rechtsextremismus am Arbeitsplatz wahrnehmen, dann ist das ein alarmierendes Ergebnis.

Warum jedoch argumentieren wir, die deutsche Wirtschaft (darunter Unternehmer:innen, Verbände, Führungskräfte und Mitarbeitende) sollte die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen als sie betreffendes Problem begreifen und handeln?

Welche Folgen haben rechtsextreme Einstellungen auf die Wirtschaft?

Die Studie über Rechtsextremismus und Unternehmen in Verantwortung. Klick führt zum Download.
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Unternehmen existieren nicht im luftleeren Raum. Weder geben Mitarbeiter:innen und Führungskräfte am Unternehmenseingang ihre politische Haltung und Wertvorstellung ab, noch sind Unternehmen unbetroffen von politischen Entscheidungen.

Auf der Makro-Ebene (im Unternehmen / am Arbeitsplatz) spielen selbstverständlich Wertüberzeugungen, Vertrauensverhältnisse, gegenseitiger Respekt und Wertschätzung eine Rolle für die Zufriedenheit im Kollegium und mit der Arbeit gebenden Organisation. Die Studienergebnisse von Gesicht Zeigen! belegen, dass sich Angestellte insbesondere um das Betriebsklima (57,3%) und den kollegialen Zusammenhalt (54,6%) sorgen, sollten sich rechtsextreme Einstellungen am Arbeitsplatz verbreiten. Das ist naheliegend, denn bei diskriminierenden, rassistischen, sexistischen, antisemitischen oder gar den Nationalsozialismus verharmlosenden Aussagen von Vorgesetzten oder Kolleg:innen fehlt es offensichtlich an gegenseitigem Respekt und Wertschätzung. Wenn nicht gegenüber mir persönlich, dann mindestens gegenüber anderen Menschen. Das Erfahren solcher herabwürdigenden Aussagen führt nicht selten zu (unterschwelligen oder offenen) Konflikten und unguten Gefühlen, z. B. Frust über die eigene Ohnmacht oder das Nichthandeln von Vorgesetzten.

Neben diesen persönlichen negativen Folgen aufgrund der Verbreitung rechtsextremer Einstellungen am Arbeitsplatz, machen sich Beschäftigte auch um den Ruf des:der Arbeitgeber:in Sorgen (43,6%) und befürchten ebenso negative Konsequenzen für den Fachkräftegewinn und die -sicherung (38,6%).

Auffällig ist, dass die Sorgen der Führungskräfte zwar ähnlich gewichtet sind (Betriebsklima: 43,2%, Kollegialer Zusammenhalt 43,1%, Ruf des:der Arbeitgeber:in 33,4% und Fachkräftegewinn- und Sicherung 27,7%), jedoch deutlich weniger Führungskräfte (ca. jeweils 10%) diese Sorgen angeben.

Dieser Befund deckt sich mit der Erkenntnis, dass jede:r fünfte Beschäftigte (21,3%) aber sogar jede dritte Führungskraft (32,3%) der Meinung ist, dass sich rechtsextreme Einstellungen nicht negativ auf den Arbeitsplatz auswirken würden. Dass gerade Führungskräfte hier eine geringere Risikowahrnehmung aufweisen, könnte daran liegen, dass sie wahrscheinlich seltener betroffen sind (noch immer sind Führungsebenen männlich, heterosexuell und weiß dominiert) und die Gefahren für den Arbeitsplatz dadurch unterschätzen.

Auf der Meta-Ebene (politisch / volkswirtschaftlich) ist zu erwähnen, dass in ganz Europa in den letzten Jahren rechtsextreme Parteien erstarkt und zum Teil in Regierungsverantwortung gewählt worden sind. Dort angekommen, haben sie politische Gestaltungsmacht, erlassen Gesetze und beeinflussen rechtliche und gesellschaftliche Strukturen, in denen auch Unternehmen existieren.

Befragt nach den negativen Auswirkungen auf die Volkswirtschaft, sollte eine rechtsextreme Partei in Regierungsverantwortung gelangen, geben über 70% der Führungskräfte an, negative Auswirkungen zu erwarten. Insbesondere werden negative Auswirkungen auf den Fortbestand der EU und des Euro angenommen (51,4%), ebenso für internationale Kooperationen (48,3%) und Deutschland als attraktiven Wirtschaftsraum (45,7%).

Dennoch sind auch hier knapp ein Drittel der Führungskräfte (28,5%) der Überzeugung, dass eine rechtsextreme Partei in Regierungsverantwortung keinerlei Auswirkungen auf die Volkswirtschaft hätte. In Ostdeutschland sind es gar 34,6%, in Westdeutschland noch immer 26,6%.

Gleichzeitig sagt gerade in Sachsen mehr als jede:r fünfte Beschäftigte, dass er:sie überlegt hat, nach einem rechtsextremen Vorfall das Unternehmen zu verlassen.

Die Frage ist also: Wie können Unternehmer:innen, die noch immer der Meinung sind, sie bräuchten keine pro-demokratische Haltung, vermittelt werden, dass sie sich diese Einstellung nicht mehr leisten können?

Unternehmen haben eine Mitverantwortung für die Demokratie

Rechtsextremismus: Mitbestimmung macht demokratisch
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Die Vorstellung, dass die Wirtschaft unpolitisch zu sein hat, hält sich hartnäckig. Dabei verlangt niemand, dass Unternehmen sich für oder gegen eine bestimmte Partei aussprechen, wie es zuweilen in den USA passiert. Es gibt zu Recht und aus gutem Grund eine freie, faire und geheime Wahl. Was allerdings im ureigenen Interesse jedes:r Unternehmer:in sein sollte, ist der Erhalt unserer liberalen Demokratie. Denn erst diese bringt die Voraussetzungen mit, die die Wirtschaft dringend braucht: Rechtsstaatlichkeit, freie Berufsausübung, Meinungs- und Pressefreiheit und viele weitere Bedingungen, die auch die soziale Marktwirtschaft erst ermöglichen. Drei exemplarische Beispiele:

  • Die Rechtsextreme Ideologie sehnt sich nach einer rechtsautoritären Diktatur. Vorbei wäre es mit großen Innovationen, guten Ideen durch Dissens und Meinungspluralismus, der Freiheit, die Kreativität fördert und Veränderung ermöglicht. Demokratie ist Kompromiss und Kompromisse sind mitunter schwer auszuhandeln. Dafür fördern sie Perspektivwechsel und Veränderungsspielraum, die in einer Diktatur schwerlich zu erreichen wären.
  • Rechtsextreme wollen einen homogenen Staat. Sie träumen von der Ausweisung all jener, die für sie aufgrund von körperlichen oder vermeintlich kulturellen Merkmalen nicht zur Volksgemeinschaft gehören. Das würde im ersten Schritt insbesondere Geflüchtete, Migrant:innen und Deutsche mit Migrationsgeschichte treffen, im zweiten Schritt Frauen, die für die Produktion von Nachkommen wieder aus der Erwerbsarbeit heraus in die unbezahlte Erziehung- und Pflegearbeit gedrängt würden. All das zusammen würde im dritten Schritt besonders hart die deutsche Wirtschaft treffen, denn ohne Migrant:innen, Menschen mit Migrationsgeschichte und Frauen würde der Arbeitskräftemangel die Wirtschaft zum Erliegen bringen.
  • Unsere liberale Demokratie schützt mit einer starken Gewaltenteilung und einer stabilen Rechtsstaatlichkeit Minderheitenrechte ebenso wie Eigentums- und Besitzrecht von Privatpersonen und Betrieben. Gleichzeitig gibt es Regeln, um Kartellmonopole zu verhindern, Chancengerechtigkeit zu verbessern und Wettbewerb zu stärken. Es gibt weder politisch gewollte Enteignungen (und wenn gibt es dafür hohe Schadensersatzzahlungen), noch politische Gefangenen. Einklagbare Rechte zu haben und sich auf das Rechtssystem verlassen zu können ist eine der größten Errungenschaften unserer liberalen Demokratie. Die Demokratie abschaffen zu wollen, bedeutet das Gesetz des Stärkeren einführen zu wollen, zum Vorteil Weniger.

Unternehmen profitieren maßgeblich von den Strukturen, die sie in unserer liberalen Demokratie vorfinden. Sie benutzen sie, um Profit zu erwirtschaften, sie beziehen sich vor Gericht auf ihre einklagbaren Rechte und profitieren von der Planbarkeit, die durch Richtlinien, Gesetze und Rahmenbedingungen erst ermöglicht wird. Es ist daher unternehmerisches Interesse, die Demokratie und demokratische Strukturen zu stärken und dafür zu sorgen, dass sie eine möglichst breite gesellschaftliche Zustimmung erfahren.

Dennoch zeigen unsere Zahlen, dass sich nicht einmal jedes zweite Unternehmen intern gegen Rechtsextremismus positioniert (44,7%). Noch weniger trauen sich eine öffentliche Positionierung zu (34,4%). Und nicht einmal jede:r fünfte Beschäftigte gab an, dass nach einem rechtsextremen Vorfall überhaupt Maßnahmen am Arbeitsplatz getroffen wurden (17%)!

Wenn sich Rechtsextremismus bereits am Arbeitsplatz gezeigt hat, ist es ohnehin zu spät, könnte man jetzt pessimistisch behaupten. Aber das ist nicht der Fall: In drei von vier Fällen, in denen Maßnahmen ergriffen werden, sind diese so erfolgreich, dass sich der rechtsextreme Vorfall nicht wiederholt (74,6%)!

Was können Unternehmen tun?

Die gute Nachricht ist also, dass Maßnahmen gegen Rechtsextremismus hochgradig wirkungsvoll sein können. Im besten Fall wirken sie bereits präventiv, um rechtsextreme Vorfälle ganz zu vermeiden. Dafür muss ich jedoch wissen, wie Maßnahmen und Reaktionen aussehen können. Leider zeigen die Zahlen: Lediglich jede:r fünfte Beschäftigte hat die Möglichkeit, Unterstützungs- oder Fortbildungsangebote zum Thema Rechtsextremismus in Anspruch nehmen zu können.

Deshalb empfehlen wir allen Unternehmen, die demokratische Verantwortung übernehmen wollen, regelmäßige Workshops und Weiterbildungen anzubieten und wahrzunehmen. In unseren Workshops konzentrieren wir uns auf Sensibilisierung und Selbstermächtigung: Wie erkenne ich rechtsextreme Einstellungen und was kann ich tun? Dabei bleiben wir nicht auf der individuellen Ebene, sondern entwickeln gemeinsam konkrete, strukturelle Maßnahmen für das eigene Unternehmen, um rechtsextreme Einflussnahme zu verhindern.

Gute Maßnahmen, die in einem solchen Workshop angestoßen werden können, sind:

  1. Die Entwicklung / Ergänzung eines verbindlichen Werteleitbildes, auf das sich alle verlassen und beziehen können (z.B. um zu erklären, warum bestimmte Aussagen im Unternehmen nicht getätigt werden dürfen).
  2. Verankerung von Demokratiekompetenz, Wertschätzung und Respekt in der Unternehmensstrategie, damit sie Form annehmen und Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Konkrete Schritte reichen daraufhin von unverbindlichem Austausch über Beschwerdestellen bis hin zu Qualifizierung und Supervision. Auch die Einrichtung eines demokratischen Betriebsrates kann die Selbstwirksamkeit und damit die Demokratiekompetenz im Unternehmen stärken.
  3. Regelmäßige Fortbildungen und Qualifizierungsmaßnahmen sowohl für Führungskräfte als auch für Mitarbeitende.
  4. Klare Hinweise auf Unterstützungsmöglichkeiten und bestehende Beschwerdestellen für Mitarbeitende im Kontakt mit Außenstehenden (Kund:innen, Patient:innen, Partner:innen).  Wenn im Unternehmen keine niedrigschwelligen Angebote realisiert werden können, sollte auf zivilgesellschaftliche Beratungsstellen hingewiesen werden.
  5. Vernetzung mit anderen Unternehmen und der Zivilgesellschaft verstärken und verstetigen. Rechtsextreme sind strategisch stark vernetzt. Sie unterstützen sich finanziell, personell und ideologisch. Hier gilt es, Vernetzungsarbeit aufzuholen und demokratische Netzwerke verstärkt zu nutzen.

Bei allen vorgestellten Maßnahmen ist die Partizipation der Mitarbeitenden enorm wichtig. Einerseits werden Maßnahmen dann besser angenommen, andererseits haben z. B. Untersuchungen des Ökonomen Christian Pfeifer gezeigt: Mitbestimmung macht demokratisch (Hans Böckler Stiftung 2024, S. 7). Viele weitere Untersuchungen belegen diesen Spillover-Effekt. Andreas Zeuch hat hierzu einen ausführlichen Beitrag in diesem Blog verfasst: Studienbericht: Organisationsdemokratie & pro-demokratische Einstellungen (unternehmensdemokraten.de 

Wenn Sie jetzt in Ihrem Unternehmen tätig werden wollen oder Ihr Interesse geweckt ist, schauen Sie gerne auf unserer Internetseite vorbei: www.unternehmen-zeigen-gesicht.de

  

Quellen

  • Esser, H. (1986): Können Befragte lügen? Zum Konzept des „wahren Wertes“ im Rahmen der handlungstheoretischen Erklärung von  ituationseinflüssen bei der Befragung, Forschungsbericht. Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen -ZUMA-.
  • Hans Böckler Stiftung (2024): Mitbestimmung macht demokratisch. Böckler Impuls 7.
  • Stöss, R. (2010): Rechtsextremismus im Wandel (3., aktualisierte Aufl.), Neuaufl. Friedrich-Ebert-Stiftung, Forum Berlin.
  • Zick, A., Küpper, B.,  Mokros, N. et al. (2023): Die distanzierte Mitte: rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland 2022/23 Hrsg. Franziska Schröter. Dietz.

Bildnachweis

  • Beitragsbild: rufus46, Wikipedia, CC BY-SA 3.0
  • Sophia Fresen: ©Dustin Ueckert, Gesicht Zeigen!
  • Vivien Klatt: ©Dustin Ueckert, Gesicht Zeigen!

 

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