Nichtwissen: “Wissen ist Macht.” Francis Bacons Diktum scheint auf direktem Weg über die Aufklärung in die Wissensgesellschaft zu führen. Sind nicht Daten der Rohstoff unseres Jahrhunderts, die wir zu Informationen und dann zu Wissen weiterverarbeiten? Konnten wir jemals beinahe unendlich viel Wissen mit ein paar Klicks von fast jedem Ort der Welt abrufen? Haben ? Und doch gibt es immer wieder einen fast feisten blinden Fleck auf unserer erkenntnistheoretischen Landkarte: Die Bedeutung und der Wert des Nichtwissens. In diesem ersten Beitrag dazu erläutere ich erst einmal die fünf Ursachen, wie es zu Nichtwissen kommt.
Angesichts meiner aktuellen Lektüre zur Geburt des Neoliberalismus (Slobodian 2021) bin ich wieder auf dieses Thema gestoßen, über das ich immerhin 2007 als Herausgeber ein Buch veröffentlichte: Management von Nichtwissen in Unternehmen. Es war Friedrich August von Hayeks Haltung zur menschlichen Erkenntnisfähigkeit komplexer Systeme, die mich daran erinnerte, dass ich in unserem Blog noch keinen einzigen Beitrag über Nichtwissen veröffentlicht hatte. Wolfgang Schäuble brachte Hayeks Haltung in einer Rede von 2009 gut auf den Punkt:
“Von Friedrich August v. Hayek, … haben wir gelernt, dass Wirtschaft und Gesellschaft keine Maschinen sind. Wer glaubt, er könne volles Wissen erwerben, das die Beherrschung des Geschehens ermöglichen würde, hat kein Wissen, er maßt es sich an. Für Hayek verband sich das mit der Warnung, in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften die „exakten“ Naturwissenschaften nachzuahmen. Heute sind übrigens selbst Naturwissenschaftler viel vorsichtiger, was die Prognosesicherheiten ihrer Disziplinen betrifft.” (Schäuble 2009)
Soweit so mittlerweile trivial. Wer heute noch behaupten würde, ein einzelner Mensch könne volles Wissen erlangen, dürfte entweder gerade ordentlich einem im Tee haben oder einen behandlungsbedürftigen megalomanischen Schub. Kritisch anzumerken wäre noch: Der Universalgelehrte war schon immer eine Illusion. Denn auch damals wurden längst nicht alle Wissens- und Kompetenzbereiche durch diese Personen abgedeckt, sondern nur ein bestimmter Kanon. Allerdings ist Nichtwissen selbst heute noch bei vielen von uns ein eher unbekanntes Land – dergestalt, dass wir es nur als Wissenslücke wahrnehmen, als Erkenntnisse, Einsichten, Informationen, über die wir gerade nicht verfügen. Aber das Nichtwissen selbst wird nicht weiter reflektiert. Kein kluger Schachzug.
Das Fünfeck des Nichtwissen
Wie kommt Nichtwissen eigentlich zustande? Was für eine blöde Frage. Natürlich durch fehlendes Wissen. Oder? Ganz so einfach ist es nicht. Für mein Dafürhalten gibt es mindestens 5 Ursachen. Die folgenden Abschnitte dazu sind ein Auszug aus meinem vorletzten Buch “Feel it! Soviel Intuition verträgt Ihr Unternehmen.” Das gesamte Kapitel umfasst 33 Seiten (45-78) mit zahlreichen illustrierenden kurzen Fallbeschreibungen etc.
Daten fehlen
Dass wir »nichtwissend« sind, weil wir über zu wenige Daten verfügen, könnte bald Geschichte sein. Unsere Informationssysteme werden immer schneller, wir finden dank High-Speed-Internet, Google und Co. Daten schneller als noch vor zehn Jahren. Die Problematik kippt allmählich eher in die andere Richtung, dass wir ein Zuviel beklagen und die relevanten Daten aus dem Chaos herausfiltern müssen. Aber es gibt zumindest noch einen Bereich, in dem wir auch in Zukunft grundsätzlich unter einem Daten- und damit Informations- und Wissensmangel leiden werden: wenn wir Neuland betreten. Per definitionem haben wir die weißen Flecken auf unseren Landkarten noch nicht vermessen. Wir kennen die Umgebung nicht, wir wissen nichts oder nur sehr wenig über die dortige Fauna und Flora, über Gefahren und Möglichkeiten. Gleichzeitig sind die noch unbekannten Gebiete wirtschaftlich äußerst interessant.
In ihrem internationalen Bestseller Der Blaue Ozean beschreiben die beiden amerikanischen Professoren W. Chan Kim und Renée Mauborgne, »wie man neue Märkte schafft, wo es keine Konkurrenz gibt«. Die Blauen Ozeane sind bei den Autoren der Begriff für Neuland, also die Erfindung neuer Märkte, neuer Branchen und die Entdeckung bisher unerfüllter Kundenbedürfnisse, während die Roten Ozeane die Optimierung des Altbekannten bedeuten. Wie lukrativ die Blauen Ozeane im Vergleich zu den Roten sind, haben Kim und Mauborgne selbst in einer Stichprobe von 108 Unternehmen untersucht. Lediglich 14 Prozent der neuen Angebote entfallen auf den Bereich Blauer Ozeane und machen doch 61 Prozent des gesamten Gewinns aus. Im Gegensatz dazu finden 86 Prozent der neuen Angebote im Bereich Roter Ozeane statt, also bestehender Märkte, sind aber nur für 39 Prozent des Gewinns verantwortlich. Neuland lohnt! …
Wenn wir auch in den meisten anderen Bereichen das Nichtwissen aufgrund eines Datenmangels zukünftig möglicherweise abgeschafft haben werden, so bleibt es doch beim Betreten unbekannter Gebiete von großer Bedeutung. Diese Entdeckung weißer Flecken auf unseren wirtschaftlichen Landkarten wird nie aufhören. Wir werden, solange wir existieren, neue Branchen und neue Märkte erfinden. Es sieht sogar so aus, also ob die Blauen Ozeane an Bedeutung zunähmen. Dafür sprechen mehrere Gründe, die Kim und Mauborgne aufführen. Zunächst einmal konnte die Branchenproduktivität durch schnellere Fortschritte in den jeweiligen Technologien stark verbessert werden. Dadurch waren die Hersteller in der Lage, ihr Angebot an Produkten und Dienstleistungen wesentlich zu differenzieren. Die ärgerliche Folge: In immer mehr Branchen übersteigt mittlerweile das Angebot die Nachfrage. Außerdem verschärfen schwindende Handelsschranken und die unmittelbare globale Verfügbarkeit von Daten über Produkte und Preise die Situation, weil in der Folge Nischenmärkte und Monopol-Paradiese allmählich aussterben. Umgekehrt zeigt sich kein Trend in Richtung einer steigenden Nachfrage. Die ehedem lukrative Ära der Roten Ozeane könnte vorbei sein.
Daten sind im Übermaß vorhanden
Bestand vor der PC- und Internet-Revolution das Hauptproblem noch darin, dass meist ein Datenmangel herrschte, so leiden die meisten Führungskräfte heute unter der Datenflut. …
(1) Berkeley School of Information Management and Systems (2003): How much Information?
Allein die im Jahr 2002 neu produzierten Daten beliefen sich laut dieser Studie auf rund 5 Exabyte (EB) und der Datenverkehr auf 18 Exabyte, was 18 Millionen Terabyte entspricht. Um diese abstrakten Werte zu konkretisieren, hier ein Gedankenexperiment: Bereits die 5 Exabyte übersteigen die in der Library of Congress gespeicherten Daten um das 37 000-fache!
Die Library of Congress, die gewissermaßen als Nationalbibliothek der USA fungiert, verfügt zurzeit über circa 1050 Regalkilometer an Büchern, Manuskripten etc., was der Strecke von Hamburg nach Genf entspricht. Sie müssten, nur um an den Büchern vorbeizufahren, die man aus den 5 Exabyte bilden könnte, 100 Jahre lang täglich von Hamburg nach Genf und am nächsten Tag wieder zurückfahren! Was in der Zwischenzeit an neuen Daten gebildet wird, sollten Sie jetzt lieber nicht bedenken … Diese Menge soll sich alle drei Jahre verdoppeln. Die Abbildung rechts zeigt das exponentielle Wachstum der nächsten 18 Jahre von 2002 – 2020.
(2) International Data Corporation (2009): As the Economy Contracts, the Digital Universe Expands
Eine neuere Erhebung stammt von dem US-amerikanischen Marktforschungs- und Beratungsunternehmen International Data Corporation. Die IDC arbeitet seit 44 Jahren international im Bereich Informationstechnologie und Telekommunikation und ist mit Niederlassungen in 110 Ländern global aufgestellt. Im Jahr 2008 ist laut der IDC-Studie das weltweite Datenvolumen im vergangenen Jahr um 487 Exabyte gestiegen. Das sind 16 Millionen Gigabyte mehr als zuvor von der IDC selbst prognostiziert. Und es sind 447 Exabyte mehr, als in der oben erwähnten Berkeley-Prognose vorhergesehen! Im Jahr 2012 soll sich dieses Datenvolumen verfünffachen: 2435 Exabyte werden dann in den Datenkosmos eingebracht. Bei dem eben bemühten Gedankenexperiment müssten Sie im Jahr 2012 also bereits 48 700 Jahre lang die Strecke Hamburg–Genf und am nächsten Tag zurückfahren; vorbei an einer schier unendlichen Menge von Büchern, in denen diese neu erzeugten Daten abgedruckt wären. Abgesehen von dieser beeindruckenden Zahlenspielerei wird noch etwas deutlich: … Lautet die eine Prognose für 2011 noch auf 40 Exabyte neu generierte Daten, so sind es in der IDC-Studie für 2012 bereits 2395 Exabyte mehr. Die Wahrheit mag zwischen diesen Schätzungen liegen. Aber zweierlei ist klar: Die Datenflut steigt… und:
Daten sind widersprüchlich
Es ist offensichtlich. Unser Datenkosmos ist alles andere als widerspruchsfrei. Wir sind mit zwei Ursachen von Widersprüchen konfrontiert. Widersprüchliche Datenlagen einerseits und widersprüchliche Interpretationen und Schlussfolgerungen derselben Datenlage andererseits…. (Durch beides) entsteht zwangsläufig Nichtwissen. Nicht zu beantwortende Fragen prasseln auf uns nieder. Was ist korrekt? Welche Aussage stimmt? Und vor allem: Was tun, wenn nicht die Zeit vorhanden ist, um diese Widersprüche durch eine weitere, gründlichere Recherche aufzulösen? Falls das überhaupt möglich ist. Denn die Widersprüche können eine Folge strategisch gestreuter Fehlinformation sein, um ganz bewusst bestimmte Interessengruppen auf eine falsche Fährte zu locken. Wir können natürlich auch einfach abwarten, bis wir die »Wahrheit« kennen. Aber was passiert in der Zwischenzeit mit unseren anstehenden Entscheidungen? Denn das Aufschieben ist keine Lösung, schließlich zieht auch das Folgen nach sich, auf die wir dann wieder reagieren müssen. Im Gegenteil. Aufschieberitis schafft viel eher Probleme als Lösungen. …
Widersprüche fordern uns in besonderer Weise, sie machen einen großen Teil der Unsicherheit aus, mit der wir konfrontiert sind, sobald wir in die Zukunft hinein entscheiden. Die Zukunft wird in einem gewissen Maß zu einer Glaubensfrage. Welche Zukunft ist wahrscheinlicher? Welches Szenario wird eher eintreffen? Wenn wir immer auf die Wahrscheinlichkeit oder die Meinung der Experten achten würden, hätten wir möglicherweise immer noch keine PCs oder unsere heutige Krankenhaushygiene, die seit Ignaz Philipp Semmelweis’ Kampf gegen die arroganten Experten Millionen Menschen das Leben gerettet hat. Unsere widersprüchliche Zukunft verlangt uns Entscheidungen ab, die uns täglich damit konfrontieren, eventuell die falsche Wahl getroffen zu haben.
Wenn wir nur konsequent darüber nachdenken, wird an dieser Stelle deutlich, dass wir ein grundsätzlich anderes Verhältnis zu Fehlentscheidungen brauchen. Mit der steigenden Komplexität und Dynamik wird die Zukunft noch undurchsichtiger als vor 100, 500 oder 1000 Jahren. Insbesondere geändert hat sich unser zunehmender Eingriff in die Substanz und die zentralen Steuerprozesse von Materie und Leben. Unsere wachsenden Möglichkeiten, selbst atomare und genetische Strukturen zu verändern und zu nutzen, führt zu Technikfolgen, die wir kaum noch abschätzen können und die ein unschlagbarer Nährboden für Widersprüche sind. Wer uns in der Welt der Dynaxity Sicherheit einredet, beraubt uns der Chance, überhaupt die maximal mögliche Sicherheit durch Achtsamkeit und Bescheidenheit zu entwickeln. Immer wieder müssen wir trotz vorhandener Widersprüche Entscheidungen treffen, die für sehr viele Menschen erhebliche Konsequenzen haben und die wir im Alltag gerne übersehen. …
Daten sind unverständlich
Die deutsche Sprache hält drei Redewendungen für Unverständliches bereit. Zwei davon illustrieren die Unverständlichkeit durch eine fremde Sprache. Die »böhmischen Dörfer« wurzeln darin, dass zu Zeiten der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie das Tschechische für deutschsprachige Reisende unverständlich in Schrift und Wort war. Genauso funktioniert die Redewendung »chinesisch sprechen«, die sich in Varianten auch in anderen Sprachen wiederfindet. Etwas anders gelagert ist »Das kommt mir spanisch vor«: Eine mögliche Herkunft liegt im damals unbekannten und damit unverständlichen Hofzeremoniell, das Karl V., zuvor bereits spanischer König, 1519 in Deutschland einführte.
Alle drei Redewendungen sind gute Metaphern. Wir verstehen etwas nicht, weil uns das Vokabular, die Grammatik und die Aussprache fehlt sowie das Verständnis für eine fremde Kultur. Wir haben noch nicht gelernt, die Sprache zu sprechen, die nötig wäre, um zu verstehen. Wir alle kennen beide Situationen, die aus der mangelnden Sprachkenntnis hervorgehen können: Wir verstehen etwas nicht und bleiben ratlos, können nur erahnen oder erraten – das ist Typ 1, das bewusste Nichtverstehen. Oder wir glauben zu verstehen und verhalten uns dann aus der Sicht des anderen plötzlich einigermaßen skurril oder geben eine sinnlose, mitunter äußerst komische Antwort – das ist Typ 2, das Missverständnis. In diesen Metaphern einer unverständlichen Sprache steckt die Zuversicht, dass wir eines Tages verstehen können, wenn wir die Sprache, ihr Vokabular, ihre Grammatik, ihren Klang und Charakter erlernt haben. Dann machen die ehemals fremdartigen und unverständlichen Worte und Sätze plötzlich Sinn. Wir können uns zunehmend sicherer in den Böhmischen Dörfern bewegen. Aber leider gibt es auch Länder und Sprachen, die nicht zu unserem Kulturkreis gehören und uns noch viel fremdartiger sind als Tschechisch und wesentlich schwieriger zu verstehen. Die Sprachmetapher hält somit auch die eher düstere Zukunftsaussicht bereit, dass wir manche Sprachen wohl nie verstehen werden. Und eines zumindest ist bei allem Sprachtalent gewiss: Niemand wird je alle Sprachen sprechen [Anmerkung 2021: Ja, bald ist das nicht mehr nötig, denn irgendwann können wir vermutlich jede Sprache in jede andere per KI übersetzen lassen].
Im März 2009 hielt ich bei einer Unternehmerkonferenz einen Vortrag über meinen Begriff der EntscheidungsKultur. Während einer der Konferenzpausen kam ich mit einem Rechtsanwalt ins Gespräch, der in einer Kanzlei arbeitet. Diese Kanzlei war im Zuge der Finanzkrise von privaten Bankkunden damit beauftragt, die Beratungen durch die Bank auf möglicherweise unkorrekte Abläufe hin zu überprüfen und gegebenenfalls Schadensersatzklagen zu führen. Er … versuchte [die] Kunden-Informationsbroschüren der Lehmann-Zertifikate zu verstehen die in ihrem Umfang eher Büchern ähnelten. Er berichtete darüber hinaus, dass die Berater selbst nicht verstanden hatten, was sie verkaufen sollten. Die Zentrale gab den Verkauf einer bestimmten Menge an Zertifikaten vor und lockte die »Berater«, die vielmehr Verkäufer sind, durch fette Provisionen und stachelte damit die viel gescholtene Gier an. Und siehe da: Die Drückerkolonnen der Banken führten aus, was von Ihnen verlangt wurde – ohne Sinn und Verstand und ohne ihr Nichtwissen zu thematisieren, mit einem Tunnelblick auf die eigenen Provisionen. Sie verkauften kurzerhand Finanzprodukte, deren Mechanismus sie selbst nicht verstanden hatten, an gutgläubige … Kunden. Das Ergebnis bedeutet für die Banken einen ärgerlichen Verlust und für manche Kunden die Vernichtung ihres monetären Lebenswerkes.
Daten sind nicht vertrauenswürdig
Vor geraumer Zeit erhielt ich einen Anruf von einer Mitarbeiterin der internen Organisationsentwicklung eines IT-Beratungshauses. Der Grund Ihres Anrufes war schnell geschildert. Die Firma hatte in einer bestimmten Sparte erhebliche Probleme mit Ihrem Ampel-System bei Großprojekten. Die Projektleiter machten der Geschäftsführung gegenüber keine korrekten Aussagen über den tatsächlichen Stand der Projekte. Wenn ein Projekt in Schieflage geriet, wurde optimistisch weiter behauptet, alles wäre in bester Ordnung und die Ampel stünde auf grün. War ein Projekt sogar schon gegen die Wand gefahren, wurde nicht rot sondern orange angesagt. Bezeichnenderweise wurde dieses Change-Projekt wieder abgesägt, nachdem bereits ein Steuerungskreis gemeinsam mit mir die Veränderungsarchitektur und das Kick-off grob geplant hatte.
Damit ist auch aus der rationalen Sicht der »Informationswirtschaft« eine unternehmensinterne Kommunikation wünschenswert, die nicht als Machtinstrument missbraucht wird. Sowohl die unternehmerische Bedrohungskultur und die damit verbundenen Angstlügen als auch die taktischen und strategischen Spielchen einzelner karrierebesessener Personen führen zu einer unökonomischen Informationskultur. Denn deren Preis besteht darin, dass Entscheidungen noch unsicherer werden, als es ohnedies bereits der Fall ist. Dienen diese Informationskultur und dieses Verhalten dem Unternehmen? Ist es einer effektive Entscheidungskultur förderlich? Diese Mikropolitik einiger mehr oder weniger begnadeter Machiavellisten dient vielmehr dem Mästen der eigenen Konten.
Anders gelagert sind die nicht vertrauenswürdigen Daten aus der Umwelt des Unternehmens. Ein gutes Beispiel sind bewusst und strategisch gestreute Informationen aus der Politik über zukünftige Veränderungen insbesondere vor Wahlen. Es sind die »Wahlversprechen«, die sich häufig nach der Wahl als Fehlinformationen herausstellen. Bürokratie soll abgebaut werden, die Steuergesetzgebung soll vereinfacht werden, Unternehmensgründungen sollen erleichtert, Wirtschaftsbereiche subventioniert werden – tatsächlich geschieht dann jedoch nichts oder das Gegenteil.
Aber auch aus der Privatwirtschaft dringen bewusst inszenierte und gestreute Fehlinformationen in den Markt. Unternehmensübernahmen sind eine beliebte Bühne. Weil es einer Firma zum Vorteil gereicht, eine geplante Übernahme möglichst lange zu verschweigen, wird beteuert, dass es keine derartigen Pläne gebe. Es werden Argumentationen erfunden, die belegen sollen, dass der Aufkauf überhaupt nicht im Sinne des Unternehmens sei. Oder es werden Falschinformationen lanciert, damit der eine oder die andere von uns sich in Ruhe ein Denkmal bauen kann. Und das meine ich nicht metaphorisch, sondern wortwörtlich. Welch absurde Blüten unser Geist treiben kann, zeigt sich auch bei Infrastrukturprojekten, bei denen eine Vielzahl an Unternehmen und Organisationen eingebunden sind. [In Deutschland waren das in den letzten Jahren vor allem die Elbphilharmonie und der Berliner Flughafen BER.]
In den nächsten Wochen folgt ein weiterer Beitrag über Nichtwissen, in dem ich seinen Wert erläutern werde. Denn Nichtwissen ist keineswegs nur ein Problem, eine Leerstelle, die es möglichst schnell zu füllen gilt. Im Gegenteil!
Herzliche Grüße
Andreas
Literatur
- Kim, W./Mauborgne, R. (2005): Der Blaue Ozean als Strategie. Wie man neue Märkte schafft, wo es keine Konkurrenz gibt. Carl Hanser
- Schäuble, W. (2009): Rede von Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble an der London School of Economics am 18. Februar 2009 in London.
- Sloboadian. Q. (2019): Globalisten. Das Ende der Imperien und die Geburt des Neoliberalismus. Surhkamp
- Zeuch, A. (2007)(Hrsg.): Management von Nichtwissen in Unternehmen. Carl-Auer
- Zeuch, A. (2010): Feel it! Soviel Intuition verträgt Ihr Unternehmen. Wiley
Bildnachweis
- Beitragsbild: @Luke Tanis, unsplash, lizenzfrei
- Cover Management von Nichtwissen: ©Carl-Auer
- Alle anderen Abbildungen: ©Andreas Zeuch