CultureCheck #001: itacs GmbH

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Ich erinnere mich noch gut: Während meines Urlaubs auf den Kanaren im März 2016 flatterte eine Anfrage der itacs GmbH in meine Mailbox. Es ging um eine Unterstützung auf dem Weg zur Selbstorganisation. Daraus hat sich zügig eine bis heute währende, ebenso fruchtbare wie menschlich äußerst angenehme Arbeitsbeziehung ergeben. Und jetzt freuen wir von priomy uns sehr, das die itacs GmbH die Premiere unseres CultureChecks abgeschlossen hat. Ein guter Anlass, um dieses spannende Unternehmen Euch allen näher vorzustellen.

priomy CultureCheck

Beim itacs internen Barcamp

Für alle, die noch nicht wissen, was der CultureCheck ist und warum wir ihn anbieten, zu Beginn eine kurze Darstellung. Wer das schon weiß, möge bitte diesen Abschnitt gepflegt ignorieren und danach weiterlesen…

Der CultureCheck ist im Rahmen unserer priomy.map entstanden, mit der wir selbstbestimmte Arbeit sichtbar machen. Dort tragen wir nach und nach alle Organisationen ein, die in irgendeiner Weise selbstbestimmte Arbeit anbieten, egal unter welchem Label, sei es Agilität, Augenhöhe, New Work, Unternehmensdemokratie oder was auch immer (siehe auch unser Glossar). Allerdings wissen wir bei den meisten Organisationen nicht, wie es jenseits der Website, einer Gemeinwohlbilanz, eines Artikels, Blogposts etc. dort wirklich aussieht. Es brauchte Validierungen.

Aus diesem Anlass entstanden die aktuell vorhandenen zwei Validierungsstufen:

  1. VertrauensEintrag: Hier können die Organisationen sehr schnell in wenigen Minuten die mehr oder weniger objektiven Rahmendaten eintragen und sichtbar machen, die aber noch nicht in irgendwelchen Publikationen an einem Ort zu finden sind: Aufbau- und Ablauforganisation, Entscheidungsmethoden, Gehaltsmodell, usw. usf. Die Ergebnisse machen wir dann bei uns auf eigenen statischen Seiten sichtbar.
  2. CultureCheck: Mit dem VertrauensEintrag erfahren wir und alle Interessenten schon mehr über die jeweiligen Organisationen. Aber wir haben uns noch immer kein eigenes Bild gemacht. Und genau dazu dient der CultureCheck: Ein qualitativer Blick hinein in die Organisation durch halbstrukturierte Interviews mit freiwilligen Teilnehmer*innen aus möglichst allen Arbeitsbereichen. Die Antworten analysieren wir und erstellen einen Bericht mit drei Teilen: Executive Summary, Erfolge der Selbstorganisation und Entwicklungspotenziale der Selbstorganisation.

itacs CultureCheck: Rahmendaten

  • Anzahl der Teilnehmer*innen: 10 Personen aus allen Bereichen, was gut 29% der Belegschaft entspricht.
  • Durchführung der Interviews: März 2019
  • Analyse der Antworten: April 2019
  • Gemeinsame Reflexion des Berichts mit itacs: Mai 2019

Die 2000 gegründete itacs GmbH beschäftigt zur Zeit 34 Mitarbeitende an einem Standort in Berlin-Mitte. Das IT Beratungsunternehmen bringt „Zukunftstechnologien in Unternehmen und gestaltet für Mitarbeiter den Modern Workplace“, wie es selbst formuliert. Die Angebote umfassen Cloudlösungen, robuste Infrastrukturen, „Clevere Lösungen mit SharePoint und Office365“, Beratung zu adaptivem Projektmanagement sowie Workshops und Trainings.

Die itacs ist in vier Bereiche gegliedert: Consulting, Solutions, Services und Zentrale Dienste. Die formale Führungsstruktur umfasst drei Hierarchieebenen: Geschäftsführung, Bereichsleitung, Mitarbeitende. Diese Struktur ist der bei Gründung traditionellen Unternehmensstruktur geschuldet und ist bis auf Weiteres die gültige formal-juristische Aufbauorganisation.

Die Transformation hin zu einem selbstorganisierten Unternehmen mit einem großen Angebot an selbstbestimmter Arbeit begann ca. 2015 und war von Anfang an von einer Besonderheit für ein Unternehmen in der Größe geprägt: Die drei oben genannten, selbstorganisierten Bereiche Consulting, Solutions und Services konnten sich auf ihre je eigene Reise begeben. So kam es zu der aktuellen Situation, dass sich Services entlang des Holacracy Modells organisiert, Solutions vorwiegend Scrum nutzt und Consulting eine freie Form der Selbstorganisation mit verschiedenen Methoden und Instrumenten entwickelt hat. Der Bereich Zentrale Dienste ist weiterhin relativ klassisch organisiert. Damit ist der größte Teil des Unternehmens mit verschiedenen Methoden und Modellen weitreichend selbstorganisiert aufgestellt.

itacs CultureCheck: Einige Ergebnisse

Besprechung in kleiner Runde

Der CultureCheck zeigte eine insgesamt weit fortgeschrittene Selbstorganisation. Das zeigt sich in besonderem Maße in den eben erwähnten, verschiedenen methodischen Umsetzungen von Selbstorganisation in den drei Bereichen Consulting, Solutions und Services. Alleine die Tatsache, dass nicht wie häufig ein Organisationsmodell wie Soziokratie oder Holacracy über das gesamte Unternehmen gestülpt wurde, ist als Gradmesser selbstorganisationaler Reife nicht zu überschätzen. Die Zusammenarbeit der Bereiche ist trotz dieser verschiedenen Ansätze sichergestellt. Allerdings zeichnete sich ab, dass gerade in der bereichsübergreifenden Arbeit insbesondere bezüglich des organisationalen Lernens noch einiges an Entwicklungspotenzial schlummert.

Entscheidungen werden folgerichtig ebenfalls mit verschiedenen Methoden getroffen: Konsent, Konsultativer Einzelentscheid und Systemisches (Online) Konsensieren (siehe Glossar) kommen regelmäßig zur Anwendung und sind bereits heute in weiten Teilen in den Arbeitsalltag eingebunden. Gleichzeitig zeigte der CultureCheck, dass der Einsatz der Methoden noch systematischer und damit zielführender gestaltet werden könnte

Aus unserer Sicht ist eine radikale Besprechbarkeit aller drängenden Themen in einer Organisation eine unbedingte Voraussetzung zur Evolution der Selbstorganisation. Wenn Themen ignoriert oder gar tabuisiert werden, entstehen Lücken oder Denkverbote, die im Laufe der Zeit ein zerstörerisches Potential entwickeln können. In diesem Sinne gibt es bei der itacs keine hierarchisch verordneten Tabus, was wir sehr positiv einschätzen. Gleichwohl konnten wir herausarbeiten, das es noch neuralgische Themen gibt, die aus Sorge vor schwierigen Konflikten kollektiv umschifft werden. Hier sehen wir noch große Chancen, sich in der Zukunft noch besser zu entwickeln.

Dazu passt eine im großen und ganzen bereits gut entwickelte Fehlerkultur. Fehler werden unternehmensweit als nötiger Faktor organisationalen Lernens und damit der Unternehmensentwicklung interpretiert. Die leider immer noch in viel zu vielen Organisationen vorhandene Suche nach Schuldigen und deren Sanktionierung gibt es bei der itacs nicht. Teilweise besteht bereits heute eine gegenseitige Unterstützung beim Lösen von Problemen, die durch Fehler entstanden sind. Darüber hinaus entstand der Eindruck, dass die Fehlerkultur trotzdem durch verschiedene Schritte, die wir im Bericht herausgearbeitet haben, noch weiterentwickelt werden kann.

Das neue Büro im Herzen von Berlin mit Blick auf Alex und das rote Rathaus

Für die Innovationskraft eines Unternehmens sind Möglichkeitsräume wichtig, sprich: Freiräume, in denen Mitarbeiter*innen frei sind vom operativen Alltag und Ideen ausprobieren, entwickeln und testen können. Dies ist in der itacs zum Teil schon institutionalisiert, wie es am Solutions Lab deutlich wurde, einem spezifischen Möglichkeitsraum im Bereich Solutions. Dort können neue Wege erkundet werden, wie die itacs am Markt erfolgreich sein kann.

Beeindruckend war und ist die Partizipation am Recruitingprozess, so dass es ein sehr gut entwickeltes Team/Peer-Recruiting gibt. Die Mitarbeiter*innen sind eng eingebunden in den gesamten Prozess, angefangen bei der Feststellung des Personalbedarfs, über die Ausschreibung und Bewerbungsgespräche bis hin zur Entscheidung, ob die Bewerber*innen eingestellt werden. So wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, zur itacs und jeweiligen Team-Kultur passende neue Kolleg*innen zu finden.

Die Arbeitszeitmodelle spiegeln ein sehr hohes Maß an Flexibilität, so dass alle Lebensphasen mitarbeiterfreundlich gestaltet werden können. Im Grunde geht fast alles, solange nur sichergestellt ist, dass „…der in dem, was er tut, wertvoll für (das Unternehmen) ist.“ Dem nicht unerheblichen Risiko der Selbstausbeutung in einem selbstorganisierten Unternehmen begegnet die itacs mit einem hohen Maß an gegenseitiger Achtsamkeit, die sich in fast allen Interviews zeigte. Dadurch ist das Arbeitsaufkommen auf ein gesundes Maß beschränkt, was keineswegs selbstverständlich ist und womit so manche andere Organisation zu kämpfen hat.

Das Gehaltssystem ist bislang traditionell aufgebaut: Die außertariflichen Gehälter werden individuell entlang einer Matrix verhandelt und sind nicht transparent. Tatsächlich wird jedoch die Frage nach alternativen Gehaltsmodellen und Gehaltstransparenz sicht- und spürbarer, ohne das dies eine dringliche Aufgabe zur Weiterentwicklung der Selbstorganisation wäre. Zumindest von den Befragten lehnte niemand eine mögliche Gehaltstransparenz ab, was im Vergleich zu anderen New Work Unternehmen ein interessanter Befund ist und eine Offenheit für Experimente zeigt.

Besprechung in einem der Meetingräume

Nachhaltigkeit ist für uns bei priomy zwar keine unbedingte logische Voraussetzung erfolgreicher Selbstorganisation, gehört aber zu einer Organisation, die sich über die Verwirklichung des eigenen Organisationszwecks hinaus dem Gemeinwohl verpflichtet fühlt. Deshalb erkunden wir mit dem CultureCheck auch diese Dimension. Hier ist die itacs noch am Anfang, nähert sich aber diesem Thema mehr und mehr an. Als Microsoft Partner setzt die itacs stark auf deren klimaneutrale Cloud-Computing-Plattform Azure und sucht zunehmend nach nachhaltigen Lösungen für ihren nötigen Umgang mit Computer-Hardware und thematisiert auch schon die Nachhaltigkeit bezüglich des eigenen Standorts. Darüber hinaus werden durch die Arbeit und Dienste der itacs indirekt das Projekt Natick und die Künstliche Intelligenz Initiative „AI for Earth“ unterstützt.

Mit diesen Ergebnissen ist die itacs GmbH schon heute bezüglich ihrer Selbstorganisation zukunftsweisend aufgestellt und aus unserer Sicht ein starker Geschäftspartner und vielversprechender Arbeitgeber. Wir freuen uns sehr, die itacs GmbH nicht nur auf der priomy.map zu haben, sondern auch über ihre mutigen Schritt, gemeinsam mit uns die Premiere zum CultureCheck gewagt zu haben. Dafür danken wir abschließend allen Interviewpartner*innen und dem Geschäftsführer Helge de Vries.

Herzliche Grüße
Andreas

 

Bildnachweis

Alle Bilder: ©itacs GmbH, mit freundlicher Genehmigung

Comments (3)

Der Wunsch der Fachkräfte - Dr. Andreas Zeuch | priomy - principles of autonomy

[…] Ergebnisse können leicht sichtbar gemacht werden, wie bei unseren Blogposts zum CultureCheck der itacs GmbH und der HRpepper GmbH & Co. […]

[…] zweimal in Berliner Unternehmen durchgeführt. Vom ersten CultureCheck gibt es auch schon einen öffentlichen Bericht in unserem Blog. Das alles weiterzuentwickeln beschäftigt mich […]

CultureCheck #004: synyx GmbH & Co. KG - Dr. Andreas Zeuch

[…] hat, anders als die bisher untersuchten Firmen itacs, HRpepper und FaustTranslations, keinen Transformationsprozess in unserem Sinn durchlaufen, da das […]

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