Neue Studie: Nachhaltigkeitsmanagement in Deutschland

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Studie Nachhaltigkeitsmanagement: Wenn Nachhaltigkeit als unternehmerischer Aufgabe zunehmend wichtiger und durch rechtliche Regulationen auch formal von immer mehr Unternehmen eingefordert wird, stellt sich eine wichtige Frage: Wie steht es eigentlich um die unternehmerische Nachhaltigkeit? Um dem nachzugehen, haben wir uns entschlossen, eine Studie dazu durchzuführen. In diesem Beitrag stelle ich unsere Studie kurz vor.

Erstaunlicherweise führt eine einfache Google-Suche nach Studien über Nachhaltigkeitsmanagement zu überschaubaren Ergebnissen. Im Gegensatz zu vielen anderen Themen ist durchaus möglich, den Überblick zu behalten. Der Suchstring “Studie Nachhaltigkeitsmanagement” erzeugte bei der mit mir verbundenen personalisierten Suche zu rund 177.000 Ergebnissen, also eine eher geringe Ausbeute, die sonst schnell im zwei bis dreistelligen Millionenbereich liegt. Im ersten Abschnitt fasse ich drei aktuelle wichtige Untersuchungen kurz zusammen und stelle wichtige Ergebnisse gegenüber, die ein Ausgangspunkt für unsere eigene nun beginnende Studie sind:

  • Sustainability Transformation Monitor 2023
  • KfW Klimabarometer 2022
  • Gothaer KMU Studie 2023

Stand des Nachhaltigkeitsmanagements

STM, eine der aktuellsten Studien zum Stand des NachhaltigkeitsmanagementsEine der aktuellsten Untersuchungen ist der Sustainability Transformation Monitor, ein Forschungsprojekt der Bertelsmann- und Mercator-Stiftung, Peerschool und Universität Hamburg sowie weiteren Partnern wie dem Rat für nachhaltige Entwicklung und B.A.U.M. e.V.  Das Projekt soll über drei Jahre die Transformation wirtschaftlicher Nachhaltigkeit und “das Zusammenwirken von Real- und Finanzwirtschaft wissenschaftlich untersuchen.” (Schons, L.-M. et al. 2023: 15) Dieser Fokus auf die Interdependenzen von Real- und Finanzwirtschaft ist besonders interessant und beachtlich.

Für die Studie wurden in Summe Vertreter:innen aus 735 Unternehmen online befragt, 467 aus der Finanz- und 268 aus der Realwirtschaft (der erhebliche Größenunterschied wurde nicht weiter erläutert). “Rund die Hälfte der Befragten aus der Realwirtschaft sind entweder Mitglieder oder Teil des erweiterten Netzwerks der Peer School for Sustainable Development e.V.” (a.a.O.:24). Ein Teil der Studienteilnehmer:innen der Finanzwirtschaft wurden aus demselben Netzwerk rekrutiert. Ob dabei alle Befragten für ein Unternehmen stehen, oder ob mehrere Personen aus demselben Unternehmen stammen, geht aus der Beschreibung der Methodik und Stichprobe nicht hervor. Infolge dieses Vorgehens bei der Zusammenstellung der Stichprobe ergeben sich mindestens zwei klare Begrenzungen: (1) Bei Personen, die Mitglieder eines Vereins im Bereich nachhaltiger Entwicklung sind, können wir von einer Verzerrung der Stichprobe ausgehen, denn diese Personen “weisen eine hohe Affinität und einen hohen Kenntnisstand zum Thema Nachhaltigkeit auf.” (a.a.O.: 25), während dies bei den Befragten aus dem Bereich der Finanzwirtschaft nicht der Fall war. Die Vergleichbarkeit beider Gruppen war also nicht generell gegeben. (2) Noch wichtiger erscheint mir aber die Frage, wie zuverlässig die Einschätzung einer einzelnen Person die tatsächliche Nachhaltigkeitstransformation eines Unternehmens abbildet, zum Beispiel hinsichtlich der faktischen Investitionen in diesem Bereich? Interessanterweise wurde dieser Aspekt nicht als Begrenzung der Studie dargestellt.

Suchergebnis Studie NachhaltigkeitsmanagementAls erstes und damit zumindest prominentestes Ergebnis wurde gleich zu Beginn des Berichts aufgeführt, dass “Nachhaltigkeit … noch wichtiger geworden und ins Zentrum der Unternehmenssteuerung gerückt” sei. (a.a.O.: 12) Das klingt in Anbetracht der gleichzeitigen sonstigen multiplen Krise erfreulich und findet sich auch sogleich als Suchergebnis, wenn man “Studie Nachhaltigkeitsmanagement” googelt (siehe Screenshot oben). Aber es steht im Widerspruch zu dem in meinem letzten Blogbeitrag zitierten KfW Klimabarometer, das mit über 11.000 Unternehmen über eine wesentlich größere Stichprobe verfügt und die bislang “einzige repräsentative Datenbasis zu Klimaschutzinvestitionen ist”. Diese Studie kam zu ausgesprochen ernüchternden Ergebnissen:

  • 70% der deutschen Unternehmen haben bislang keine Klimaschutzinvestitionen vorgenommen
  • Bei 39% ist Klimaschutz immer noch kein Teil der Unternehmensstrategie und
  • Nur 25% erfüllen diesen Anspruch.

Das könnte ein erheblicher Kontrast zum STM23 sein, demzufolge 84% der befragten realwirtschaftlichen Unternehmen und 73% der Finanzwirtschaft Nachhaltigkeit im Vergleich zum vergangenen Jahr viel / eher wichtiger finden. Natürlich kann es sein, dass in den Jahren zuvor noch signifikant weniger Firmen in Umwelt/Klimaschutz investiert haben und somit die Bedeutungszunahme gemäß STM23 zutreffen könnte. Aber selbst wenn dies so wäre, dann äußert sich dieser individuell wahrgenommene Bedeutungszuwachs an Klimaschutz immer noch auf einem viel zu niedrigen Investitionsniveau.

KfW Klimabarometer 2022: 70% deutscher Firmen investieren bislang nicht in Klimaschutz.
STM 2023: 84 bzw. 73% deutscher Real- / Finanzwirtschaftsunternehmen finden Klimaschutz immer wichtiger.

Die beruhigende Botschaft der Bertelsmann-Stiftung “Nachhaltigkeit wird in der Wirtschaft immer wichtiger” (Screenshot Google-Suche) ist ebenso fraglich wie trivial, denn natürlich wird Nachhaltigkeit wichtiger, alleine schon weil die Regularienschraube zunehmend angezogen wird (CSRD). Hinzu kommen noch zwei weiteren Probleme:

  • Inwiefern sind Einzelmeinungen oder auch die einer überschaubaren Gruppe von Befragten überhaupt mit einer Bedeutungszunahme für Unternehmen gleichzusetzen?
  • Noch wesentlicher: Die ausgesagte “Entwicklung” kann über eine subjektive Wahrnehmung der Befragten hinaus nur über eine Längsschnittuntersuchung erhoben werden, zum Beispiel durch wesentlich objektivere Parameter wie die Höhe der Investitionen 2021 und 2022. Es erfolgten beim STM23 aber keine Befragungen derselben Personen/Unternehmen zu unterschiedlichen Zeitpunkten, t1-n (zumindest wurde dies nicht im Methodenabschnitt dargelegt).

Nichts wäre mir lieber, als wenn die positive Botschaft des STM23 zutreffend wäre. Allerdings sind Zweifel auch über die Gegenüberstellung mit dem Klimabarometer hinaus angemessen. Denn die KfW Ergebnisse werden leider durch die Gothaer KMU Studie 2023 gestützt. Dort ist mit 1023 Befragten die Stichprobe ebenfalls deutlich größer als beim STM23 (N=735). Ein besonders niederschmetterndes Ergebnis: Bislang haben 16% der Unternehmen ihre CO2-Emissionen ermitteln lassen – nur Ermitteln, geschweige denn, sie zu reduzieren. Im Gegensatz dazu wirkt die 30% Quote an Klimainvestitionen beim KfW Klimabarometer 2022 geradezu optimistisch. Da hilft es wenig, wenn 73-84% Befragte behaupten, Nachhaltigkeit würde immer wichtiger werden. Dieses Verhältnis von Bedeutungseinschätzung einerseits und klimawirksamen Taten andererseits deckt sich ganz gut mit der Einstellungs-Verhaltens-Lücke bei den Konsument:innen. Insofern scheint meine Kritik eines Selection Bias beim STM23 durch die Rekrutierung der Befragten innerhalb der nachhhaltigkeitsaffinen  Peer School for Sustainable Development  nicht ganz unangebracht zu sein.

Unsere Studie: Zwei Perspektiven kontrastieren

Konzept

Unter anderem brachte uns dieser Widerspruch zwischen den Studien auf die Idee, mit wesentlich bescheideneren Mitteln als der STM23 eine erste explorative dyadische Studie durchzuführen: Wie nehmen Vertreter:innen aus unterschiedlichen Funktionen derselben Unternehmen das unternehmerische Nachhaltigkeitsmanagement wahr? Im Zentrum unseres Interesses stehen die Perspektiven der Nachhaltigkeitsmanager:innen und Geschäftsführenden. Explorativ verstehen wir hier im weiteren Sinn: Erstens wollen wir das Forschungsfeld Nachhaltigkeitsmanagement zunächst ohne feste Hypothesen erkunden. Zweitens haben wir keinerlei repräsentativen Anspruch.

Für ein tieferes Verständnis der aktuellen Lage des Nachhaltigkeitsmanagements erscheint es uns wichtig, nicht nur eine vermeintlich einheitliche Sicht auf die jeweilige Unternehmenssituation herauszuarbeiten. Stattdessen interessieren uns die unterschiedlichen Perspektiven hinsichtlich verschiedener Fragen: Schätzen die Befragten den Stand des unternehmerischen Nachhaltigkeitsmananagements gleich ein? Das scheint uns auch vor dem Hintergrund des STM23 wichtig zu sein. Denn dort gab es drei verschiedene Gruppen von Befragten: Mitarbeitende in/ohne Führungsposition und Geschäftsführende – ohne dass deren Perspektiven differenziert worden wären. Des Weiteren interessiert uns, welche Rolle die partizipative Mitgestaltung durch die Belegschaft spielt. Und ob es typische Zielkonflikte und Abweichungen in den Bewertungen des Nachhaltigkeitsmanagements gibt, was wir vermuten. Um Nachhaltigkeitsmanagement zukünftig erfolgreicher betreiben zu können, stellt sich zudem die Frage nach hilfreichen Ressourcen. Zu diesen wichtigen Themen liefern die oben aufgeführten Studien keine oder nur wenige  Informationen, zum Beispiel indirekt im STM23 durch die Abfrage von Hindernissen (z.B. sind zu wenige finanzielle und personelle Ressourcen für rund 64% der Real- und Finanzwirtschaft eher (33%) oder sehr (31%) relevant). Was umgehend zur Frage führt, ob diese Firmen tatsächlich über zu wenig/keine Ressourcen verfügten, weil sie keine ausreichenden Umsätze erzielten oder ob es den Geschäftsführenden schlicht nicht so wichtig war. Kurzum: Fragen über Fragen…

Wir beschränken uns bei der Rekrutierung der Teilnehmer:innen weder auf bestimmte Größen noch Branchen. Unter ca. 50 Mitarbeitende macht die Teilnahme jedoch wenig Sinn, da es zunehmend unwahrscheinlicher wird, dass es überhaupt einen Nachhaltigkeitsbeauftragten oder eine -managerin gibt, die aus dieser Rolle heraus an der Studie teilnehmen könnten. Bezüglich der Sektoren sind naheliegenderweise produzierende Betriebe meist interessanter als Dienstleister, da sie einen deutlich höheren Materialdurchsatz und somit auch mehr Einsparpotential haben. Wo weniger verbraucht und ausgeschieden wird, kann auch nur weniger eingespart werden. Es sei denn, der Dienstleister ist erheblich größer als ein Produzent.

Um die Studie mit höherer Qualität und Professionalität durchführen zu können, haben wir Prof. Dr. Laura Henn und Dr. Kevin Winter aus dem Fachgebiet nachhaltiges Handeln und Wirtschaften der Universität Hohenheim gewonnen. Die beiden werden die Datenauswertung vornehmen. Gemeinsam erfolgt dann die Interpretation und Schlussfolgerungen sowie Erstellung des Berichts.

Teilnahme

Wir würden uns freuen, wenn Ihr mitmacht. Dazu brauch es übrigens keine festen Nachhaltigkeitsmanager:innen. Genau das fragen wir unter anderem ab. Die Beantwortung dauert nur 7-8 Min. Zur Teilnahme bitte hier entlang:

1) Erstellt bitte Euren Firmen-Code aus 3 Buchstaben (klein/groß) + 3 Ziffern (z.B. Xb13g7) und tragt ihn im Fragebogen bei Frage 1 ein. Diesen Code teilt Ihr bitte in Eurer Organisation an die Personen, die an der Umfrage teilnehmen. Nur so kann die dyadische Auswertung erfolgen. Die Antworten bleiben anonym, denn nur Ihr kennt den Teilnahme-Code.

2a) Fragebogen Nachhaltigkeitsmanagement
2b) Fragebogen Geschäftsführung 

 

Herzliche Grüße

Andreas Zeuch

 

Bildnachweis

  • Beitragsbild: Mit freundlicher Genehmigung von Markus Eulenkamp

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