Akteure partizipativer Nachhaltigkeitsentwicklung: Unternehmerische Nachhaltigkeit wird im Allgemeinen dem Nachhaltigkeitsmanagement zugeschrieben. Wenn es gut läuft, ist die Nachhaltigkeit obendrein noch Teil der unternehmerischen Strategie und somit auch eine Aufgabe der Geschäftsführung. Das ist es dann aber meist schon. Wir sehen noch weitere Akteure, die bei der partizipativen Entwicklung unternehmerischer Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle spielen.
Auch wenn Nachhaltigkeit längst zu einem Buzzword mutiert ist, das kaum noch aus der täglichen Kommunikation wegzudenken ist, sind die Vorgehensweisen zur Umsetzung nachhaltiger Ziele im allgemeinen dieselben: Je nach Größe des Unternehmens und den damit verbundenen finanziellen Ressourcen wird entweder irgendjemand zum Nachhaltigkeitsbeauftragten ernannt, die oder der sich dann nicht hauptsächlich darum kümmert, sondern neben anderen Aufgaben dafür auch noch irgendwie Zeit abknapsen muss. Entsprechend sind fundamentale Engpässe nicht nur vorhersehbar, sondern nahezu unvermeidlich. Oder es gibt immerhin eine(n) Nachhaltigkeitsmanager:in, der/die sich dann im Rahmen der Anstellung nur mit dieser Aufgabe befasst. Und natürlich finden wir bei großen Unternehmen auch noch ganze Teams. Aber selbst dann ist nicht sichergestellt, dass die Ressourcen reichen, um mehr als nur die Pflichten zu erfüllen.
Vor allem aber ist eines bis heute noch längst kein Standard: Die multiple Ökokrise – es gibt nicht nur die Klimakrise, sondern auch teils fortgeschrittenere Probleme wie bei der Biodiversität, dem Stickstoffkreislauf oder der Einbringung neuer Substanzen und Organismen – hält sich nicht an die typischen unternehmerischen Funktionssilos[1]. Kurz: Die Ökokrise schert sich nicht um Ressorts. Sie ist eine Querschnittsaufgabe. Wenn das dann eine Nachhaltigkeitsbeauftragte oder ein vollangestellter Nachhaltigkeitsmanager alleine erledigen soll, kann es sich nur um eine Inszenierung fürs unternehmerische Schaufenster handeln. Zudem werden so die zwingend nötigen Maßnahmen zur Reduktion von Emissionen aller Arten, nachhaltigem Produktdesign und dergleichen nur in den wenigsten Fällen durch weitere Akteure identifiziert, entwickelt, umgesetzt und weiterentwickelt. Dabei wissen wir längst aus rund 40 Jahren Forschung zu Green HRM und Green Teams, dass Partizipation zu deutlich besseren Ergebnissen der Nachhaltigkeit führt, die obendrein ebenso signifikante Wettbewerbsvorteile ermöglichen (→ Organisationale Nachhaltigkeit: Erfolgreicher mit Partizipation).
Die Akteure
Deshalb würden wir alle gut daran tun, organisationale Nachhaltigkeit möglichst schnell als Aufgabe von mindestens den folgenden vier bis fünf Akteursgruppen aufzufassen und entsprechend umzusetzen:
- Geschäftsführung – macht Nachhaltigkeit zu einem wichtigen Teil der Strategie und stellt Ressourcen bereit.
- Nachhaltigkeitsmanagement – behält den Überblick, orchestriert und leitet alle Akteure.
- HR/Personal – sorgt für eine Belegschaft, die die Nachhaltigkeitsstrategie umsetzen kann.
- Betriebsrat – übernimmt eine wichtige Kontroll- und Multiplikatorenfunktion, sofern er vorhanden ist.
- Belegschaft – identifiziert und ko-kreiert Maßnahmen, setzt sie um und entwickelt sie weiter.
Zusammengefasst lassen sich diese Akteursgruppen visuell zusammenfassen, ohne und mit Betriebsrat:
Geschäftsführung
Sie sollte erstens sicherzustellen, dass Nachhaltigkeitsmanagement eine ernst gemeinte Aufgabe ist. Dazu gehört zuvörderst die Bereitstellung ausreichender Ressourcen, wie oben angedeutet: Personal und finanzielle Mittel für nachhaltige Investitionen jeglicher Art. Leider haben wir in den letzten Monaten nur zu oft von Nachhaltigkeitsmanager:innen den Eindruck vermittelt bekommen, dass sie getrieben sind und nicht selten alleine durch die Erfüllung formaler Anforderungen hinsichtlich des Berichtswesens aus- wenn nicht gar überlastet sind. Darunter waren auch Unternehmen, die nachweislich über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, um weitere Kolleg:innen für ein potentes Nachhaltigkeitsmanagement einzustellen. Stattdessen konnten so manche Einzelkämpfer:innen ebenso wie ganze Teams wenig bis nichts zur unternehmerischen Nachhaltigkeit beitragen, was über die rechtlichen Pflichten hinaus geht. Des Weiteren bedarf es Investitionen zur Umstellung von Produktionsprozessen, der Elektrifizierung der Fahrzeugflotte, wenn sie unersetzlich ist, der Beauftragung externer Expert:innen zur Unterstützung usw. Die Liste ist ist ziemlich lang. Und die Mittel häufig zu knapp. Leider ist das mehr als meine bloße Meinung, wie das aktuelle KfW Klimabarometer belegt: 70% der deutschen Unternehmen haben bislang keine Klimaschutzinvestitionen vorgenommen oder in Planung[2].
Zweitens braucht es die Integration der Nachhaltigkeit in die unternehmerische Strategie, die nach wie vor eine zentrale Aufgabe der Geschäftsführung ist. Gerade die Studien rund um das Konzept von Green HRM zeigen unmissverständlich, dass dieser Schritt eine wichtige Bedingung für ein gelungenes Nachhaltigkeitsmanagement ist, wie Studien mit mehreren Hundert Betrieben zeigen (del Brio et al. 2007, Iraldo et al. 2017) Diese Einsicht in den Zusammenhang von HR/Personalmanagement und Umwelt/Nachhaltigkeitsstrategie wurde maßgeblich durch eine ressourcenbasierte Sicht vorangetrieben: “Menschen sind nicht nur eine komplexe, einzigartige und wertvolle Ressource, sondern auch eine Quelle von Fähigkeiten, die unternehmensspezifisch und wertvoller sind, als verfügbare und übertragbare Ressourcen. Menschliche Fähigkeiten werden als Entwicklung, Übermittlung und Austausch von Informationen gesehen.” (del Brio 2007: 493)
Drittens und ebenso wichtig wie die ersten beiden Punkte ist die Verantwortung der Geschäftsführung für das Geschäftsmodell. Das ist der Kern, die DNA des Unternehmens auch und gerade hinsichtlich der Nachhaltigkeit. Diese DNA wirkt sich maßgeblich auf die Nachhaltigkeit aus. Wenn das Geschäftsmodell selbst nicht auf eine konsequente Nachhaltigkeit ausgerichtet ist, werden sonstige Nachhaltigkeitsbemühungen schnell an Grenzen stoßen. Solange beispielsweise das Geschäftsmodell darin besteht, eine möglichst große Menge individueller Mobilität zu verkaufen (sprich: Autos), werden die nachgelagerten Nachhaltigkeitsmaßnahmen nur die negativen Folgen dieses Modells minimieren können. Wesentlich nachhaltiger wäre indessen, eben dieses Geschäftsmodell zu erweitern oder gar zu ersetzen. Dabei können drei verschiedene Pfade unterschieden werden: Defensiv, anpassend und pro-aktiv. Der defensive Pfad zielt mit effizienzorientierten Maßnahmen auf leicht erreichbare Ziele, die nur moderate Änderungen des Geschäftsmodells erfordern, falls überhaupt. Beim anpassenden (“accomodative”) Pfad werden immerhin schon kosten- und effizienzorientierte Maßnahmen aktiv verfolgt und mit Nachhaltigkeitsaspekten verbunden. Der pro-aktive Pfad geht mit radikalen Veränderungen der Kerngeschäftslogik einher, so dass das Geschäftsmodell wesentlich umfassender betroffen ist und entsprechend stark erneuert oder gar ersetzt wird (Schaltegger et al. 2012: 111). Deshalb ist aus unserer Sicht eine ernsthafte, konsequente Analyse des bestehenden Geschäftsmodells sowie etwaige Änderungen oder Neuentwicklungen zentral für eine gelungene Nachhaltigkeit. Dabei setzt die Bereitschaft, das eigene Geschäftsmodell in Frage zu stellen voraus, dass sich die Geschäftsführung des Ernstes der (ökologischen) Lage bewusst ist. Zudem braucht es zweifelsfrei Mut, die eigenen Geschäftsgrundlagen zu hinterfragen. Die positive Kehrseite ist die Chance, das eigene Unternehmen zukunftsfähiger aufzustellen, wie es gelungene Beispiele zeigen (z.B. British Sugar, Patagonia, Vaude). Insgesamt gibt es reichlich Ansätze für innovative nachhaltige Geschäftsmodelle (z.B. Breuer et al. 2018, Bungard 2018, Moratis et al. 2018), auf deren Basis wir einen Kurzworkshop für einen ersten Überblick anbieten.
Nachhaltigkeitsmanagement
Nachhaltigkeitsmanagement als Akteur der Nachhaltigkeitsentwicklung erscheint trivial. Mit der Bezeichnung ist die unternehmerische Funktion bereits klargestellt. Wir sehen die Aufgabe allerdings nicht alleine in der Erfüllung der offensichtlichen Aufgaben: Monitoring/Reporting und die eigentliche fortlaufende Verbesserung der unternehmerischen Nachhaltigkeit. Ebenso wichtig ist es, den Überblick über beide Prozesse zu behalten, deren Interdependenzen zu erkennen, um schließlich alle anderen Akteure mit deren Aufgaben und Beiträgen zu koordinieren. Mit zunehmender Komplexität des Unternehmens werden diese Aufgaben wichtiger und herausfordernder. Bei 50 Mitarbeitenden mag die Nachhaltigkeitsmanagerin auch alleine noch alles im Blick und Griff haben. Bei 5000 ist das nicht mehr möglich. Da wir in der HR/Personal-Funktion und dem Betriebsrat (sofern beide vorhanden sind) sowie der Belegschaft in allen Fällen eine wichtige zusätzliche Rolle sehen, müssen diese nicht selbstverständlich beteiligten Akteursgruppen zusätzlich integriert und koordiniert werden.
Dafür ist eine Voraussetzung, dass Nachhaltigkeitsmanager:innen partizipative Prozesse initiieren, aufrechterhalten und fortlaufend weiterentwickeln. Dazu braucht es wiederum entsprechende Kompetenzen, die zum Know-How über Nachhaltigkeit hinzukommen: Wie können Kolleg:innen erfolgreich für partizipative Prozesse gewonnen werden, wie können sie in Innovationsprozesse eingebunden und an Entscheidungen erfolgreich beteiligt werden? Je nach personaler und funktionaler Ausstattung können diese Aufgaben durch Kolleg:innen aus der internen Organisationsentwicklung übernommen werden, die dann natürlich eng verzahnt mit den Nachhaltigkeitsmanager:innen zusammenarbeiten müssen. Herausfordernder wird es, wenn diese Möglichkeit nicht vorhanden ist. Dann müssen sich Nachhaltigkeitsmanager:innen entweder das Wissen und die Kompetenzen aneignen oder das Unternehmen dies als externe Leistung einkaufen.
Da wir uns dem klassischen Verständnis von Nachhaltigkeit anschließen, das die drei Dimensionen ökologisch, ökonomisch und sozial umfasst, besteht eine gute Möglichkeit für Nachhaltigkeitsmanager:innen darin, ihre Aufgabe der Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts auszudehnen: Sie können diesen so erstellen, dass er nicht nur den rechtlichen Anforderungen entspricht, sondern darüber hinaus als Instrument für ein authentisches und integres Employer Branding dient. Auf diese Weise können erstens die Dimensionen ökologisch und sozial gut mir der dritten Dimension ökonomischer Nachhaltigkeit verknüpft werden. Zweitens kann auf diese Weise die Zusammenarbeit mit dem Personalmanagement als weiterer Akteursgruppe konkretisiert werden. Wir bieten dazu einen Kurzworkshop an: Von der Pflicht zur Kür.
HR/Personal: Green HRM (GHRM) und Green Teams (GT)
Wenn wir HR/Personal als die Funktion sehen, die hauptsächlich der Bereitstellung des Personals sowie dessen zielorientiertem Einsatz dient und verantwortlich ist für alle personalrelevanten Strategien, Maßnahmen und Handlungsfelder, die zur Unternehmensentwicklung beisteuern, dann ergibt sich im Kontext von Nachhaltigkeit sofort ein großes Bündel von Aufgaben. Dies wird unter dem Stichwort GHRM seit inzwischen vier Dekaden untersucht (Faisal 2023, Mahdy et al. 2023, Paulet et al. 2021). Praktische alle bekannten Aufgaben können durch die Brille der Nachhaltigkeit neu ausgerichtet werden. Beispielsweise ändert sich der Fokus bei der Personalsuche und -einstellung dahingehend, dass neben den ansonsten aufgerufenen Ausbildungen, Erfahrungen, Kenntnissen und Eigenschaften nun auch darauf geachtet wird, welche Umwelteinstellungen die Kanditat:innen mitbringen und ob sie sich in Umweltinitiativen engagieren und dergleichen mehr. Auch diesbezüglich können Menschen und Unternehmen mehr oder weniger gut zusammenpassen. Umweltaktivist:innen werden kaum bei Ölmultis wie BP, Exxon und Shell anheuern, die ihre eigenen Klimaziele vor kurzem wieder aufgegeben haben.
Diese Akteursgruppe wird also zu einer zentralen Funktion, wenn sich ein Unternehmen ernsthaft nachhaltig entwickeln will. Denn dann braucht es entsprechende Mitarbeitende und Führungskräfte, die Nachhaltigkeit nicht genervt beiseite wischen oder sie nur im Modus Dienst nach Vorschrift (Gallup-Engagement Index) abarbeiten, um sich dann den subjektiv wichtigeren und wesentlichen Aufgaben zuzuwenden. Dafür ist es äußerst hilfreich, wenn sich Personaler:innen über den Spillover-Effekt im klaren sind: Umwelteinstellungen, Nachhaltigkeitswissen und -kompetenzen sowie damit verbundene Selbstwirksamkeitserwartungen werden sowohl von außen nach innen getragen wie umgekehrt. Deshalb ist es erstens wichtig, umweltbewegte Menschen zu identifizieren, die ihre Begeisterung für Nachhaltigkeitsthemen auch im Unternehmen anwenden (outside-in). Umgekehrt kann das Unternehmen einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten, indem positive Nachhaltigkeitserfahrungen im Unternehmen in das Leben außerhalb der Arbeit übertragen werden (inside-out). Diese Utilisierung des ohnehin tendenziell vorhandenen Spillover-Effekts kann durch Personaler:innen maßgeblich gefördert werden.
Die Aufgabenfelder des GHRM lassen sich entlang des Ability-Motivation-Opportunity Modells strukturieren. Gemäß dieses Modells erbringen Mitarbeitende gute Leistungen, sofern sie über entsprechende Fähigkeiten verfügen (Ability), angemessen motiviert sind (Motivation) und ihr Arbeitsumfeld Möglichkeiten zur Partizipation bietet (Opportunity). Es wurde 2000 von Appelbaum et al. in die HRM-Forschung eingebracht. So entstanden die drei Aufgabengebiete (1) Entwicklung grüner Fähigkeiten/Kompetenzen, (2) Motivation grüner Mitarbeitender und schließlich die (3) Bereitstellung grüner Möglichkeiten. Dabei lässt sich diese “Grünifizierung” verschiedener Aufgaben und Funktionen (“Green HRM”, “Green Recruiting”, “Green X”) durchaus kritisch hinterfragen. Die grundlegende Idee, HRM durch die Nachhaltigkeitsbrille zu betrachten, erscheint im Kontext der drastisch zu beschleunigenden Nachhaltigkeitsentwicklung von Unternehmen indes hochgradig sinnvoll. Wenn Du in kompakter Weise mehr über GHRM und GT erfahren willst, schau in unserem Kurzworkshop dazu vorbei.
Betriebsrat
Der BR als wichtiger Akteur für eine gelungene Nachhaltigkeitsentwicklung ist natürlich nicht unsere Idee, sondern ist längst im Betriebsverfassungsgesetz verankert und mit nützlichen Materialien unterstützt, so wie mit dem empfehlenswerten “Handbuch Nachhaltige Betriebsratsarbeit” (Behrens et al. 2010) oder dem “Nachhaltigkeitskompass” für Vertreter:innen der Arbeitnehmenden in Aufsichtsräten (Beile & Vitols 2018). In der sozialen Dimension ist die Rolle des BR am offensichtlichsten, z.B. in Bereichen wie Arbeitssicherheit (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) oder Chancengleichheit und Vielfalt (§ 92 Abs. 3 Satz 1). Die ökologische Dimension hat aber auch Eingang gefunden in die formale Regelung: “Als betrieblicher Umweltschutz im Sinne dieses Gesetzes sind alle personellen und organisatorischen Maßnahmen sowie alle die betrieblichen Bauten, Räume, technische Anlagen, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe und Arbeitsplätze betreffenden Maßnahmen zu verstehen, die dem Umweltschutz dienen.” (§ 89 Abs. 3). Und konkreter ist es gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 9 die “allgemeine Aufgabe … Maßnahmen des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Umweltschutzes zu fördern..” Zudem ist In Betrieben mit regelhaft mehr als 100 Mitarbeitenden ein Wirtschaftsausschuss zu bilden, der die GF berät – auch hinsichtlich “Fragen des betrieblichen Umweltschutzes” (§ 106 Abs. 3 Nr. 5a). Kurzum: Wann immer ein BR vorhanden ist, spielt er eine wichtige Rolle in der Nachhaltigkeitsentwicklung.
Über diese formalen Vorgaben konnte in einer relativ aktuellen Studie gezeigt werden, dass auch bei dieser Akteursgruppe noch deutlich Luft nach oben ist. Anhand von 23 qualitativen Interviews mit Vertreter:innen aus den Bereichen GF, HR/Personal, BR und sonstige aus 5 Unternehmen (4 große Chemie- und ein großes Dienstleistungsunternehmen) sowie 132 Betriebsvereinbarungen zeigte sich eine “Kombination von spezifischen ökonomischen Zielsetzungen und unspezifischen Angaben über Nachhaltigkeitsziele.“ (Haunschild et al. 2020: 10) Nur die sozialen Nachhaltigkeitsziele wurden konkretisiert und durch die Betriebsvereinbarungen exakter geregelt – was das Zentrum traditioneller betriebsrätlicher Arbeit ist. Erfreulich ist, dass “in Unternehmen mit einer gewachsenen Tradition der Sozialpartnerschaft Betriebsvereinbarungen zu Nachhaltigkeitsthemen relativ problem- und konfliktfrei angestoßen, ausgehandelt und implementiert werden.“ (ebd.)
Die nachhaltige BR-Arbeit kann in vier Bereiche strukturiert werden: (1) Nachhaltigkeit bezüglich der Produkte selbst, der für sie nötigen Ressourcen und damit verbundenen Emissionen sowie der Produktionsmethoden. (2) Nachhaltigkeit täglicher Arbeit, (3) die Sicherung einer dauerhaften Existenz des Unternehmens und (4) Nachhaltigkeit als Konzept, das über den Betrieb hinausgeht, durch die Einbindung und Entwicklung des Umfeldes, in der das Unternehmen eingebettet ist. Quer dazu gibt es vier weitere Aufgabenfelder innerhalb des BR, um in den zuvor genannten vier Nachhaltigkeitsbereichen wirksam zu werden: Strategie, Veränderung, Führung/Personalentwicklung/Qualifikation und Kommunikation (Behrens et al. 2010: 11ff). In Bezug auf die hier aufgeführten Akteursgruppen folgt daraus die Verknüpfung mit ihnen. Aktuell sind wir dabei, unter der Leitung unseres Kollegen Karsten vom Bruch, ehemaliger BR bei Bosch, einen Kurzworkshop für BR zu konzipieren.
Belegschaft
Bereits in der ersten Auflage von 1996 bringt der Herausgeber einer der zentralen Gründungsschriften des GHRM, Walter Wehrmeyer, seine Verwunderung auf den Punkt: „Es ist ein merkwürdiger Aspekt des heutigen Umweltmanagements in Unternehmen, dass die persönlichen Werte der Mitarbeiter in Bezug auf die Umwelt nicht in vollem Umfang genutzt werden, um den Erfolg von Umweltinitiativen in Unternehmen zu maximieren, obwohl sie nachweislich positive Auswirkungen für das Management haben.“ (a.a.O.: Einleitung, Kindle-Version). Schon damals wurde damit ein wesentlicher Aspekt sichtbar, für den GHRM die Verantwortung übernehmen sollte. Die Passung bezüglich der Umwelteinstellung und der damit verbundenen Werte zwischen der Belegschaft und dem Unternehmen, wie oben kurz erwähnt.
Eine Forschungsgruppe verweist im Rahmen ihrer Studie mit 110 Unternehmen auf längst bekannte Evidenzen: „Mitarbeiter sind zu einer Schlüsselkomponente geworden, um einen auf Umweltmaßnahmen basierenden Wettbewerbsvorteil in einem Unternehmen zu erzielen. Daher müssen die Arbeitnehmer Teil des Strategieformulierungsprozesses sein und an der Entscheidungsfindung teilnehmen (Azzone/Noci 1998; Handfield et al. 2001; Klassen/McLaughlin 1993; Polonsky et al. 1998). Die Motivation der Mitarbeiter und ihre Beteiligung an Umweltaufgaben sind somit Schlüsselfaktoren für die Erzielung eines auf Umweltmaßnahmen basierenden Wettbewerbsvorteils in einem Unternehmen.“ (Del Brío et al. 2007: 496, Übersetzung AZ) Zentral ist hier die Teilnahme an der Strategieentwicklung, was in den meisten Fällen der Geschäftsführung und gegebenenfalls noch leitenden Angestellten (z.B. Bereichsleiter:innen) vorbehalten ist.
Über einzelne Studien wie die eben zitierte hinaus zeigen auch Übersichtsarbeiten und Meta-Studien einen positiven Zusammenhang zwischen Partizipation und den Ergebnissen der Nachhaltigkeitsentwicklung: Nach der Analyse von 104 Studien kommen die Autor:innen zu diesem Ergebnis:
„Mitarbeiterermächtigung ist der Schlüssel zur Verbesserung der Ergebnisse einer Organisation, in der die Mitarbeiter motiviert sind, grüne Ziele effektiver und effizienter zu verfolgen.“ (Tariq et al. 2016: 267)
Im Laufe der Zeit werden sie es kaum verhindern können, dass sich positive Umwelteinstellungen entweder bestätigen oder verstärken, sie sich weiteres Wissen und Kompetenzen aneignen und sie schließlich auf diese Weise ihre Selbstwirksamkeit bezüglich nachhaltigen Verhaltens ausbauen. Und das alles können sie dann in ihr Privatleben und die Gesellschaft mitnehmen und dort anwenden. Ein wunderbarer Kolalteralnutzen, wie wir finden. In diesem Sinne: Let’s create together!
Herzliche Grüße
Andreas
Fußnoten
[1] Den Hinweis auf die aktualisierte Fassung der planetaren Grenzen sowie der Darstellung im Zeitverlauf verdanke ich Stefan Watzke.
[1] Genauer: Bei mehr als einem Drittel (39%) ist Klimaschutz immer noch kein Teil der Unternehmensstrategie, lediglich 25% erfüllen diesen Anspruch. Noch schwerwiegender ist, dass „gerade einmal 10 % aller Unternehmen … Klimaneutralität für ihr Unternehmen an[streben] – ein Drittel hat sich mit dem Thema noch gar nicht auseinandergesetzt” (Abel-Koch et al. 2022: 4). Für die Studie wurden knapp 11.000 mittelständische und 139 Großunternehmen untersucht. Dieser Befund wird leider von einer weiteren aktuellen Studie gestützt: Gut ein Drittel der weltweit 2000 größten Unternehmen (G2000) haben ein Netto-Null-Emmissionsziel, aber nur 8% dieser Unternehmen werden ihr Ziel bis 2050 erreichen (accenture 2022).
Literatur
- Abel-Koch, J. et al. (2022): KfW-Klimabarometer 2022. KfW Research, Bericht Nr. 359. Kreditanstalt für Wiederaufbau
- accenture (2022): Accelerating global companies toward net zero by 2050. accenture
- Azzone, G.; Noci, G. (1998): Seeing Ecology and “Green” Innovations as a Source of Chance. Journal of Organizational Change Management, 11(2): 94 –111
- Appelbaum, E. et al. (2000): Manufacturing advantage: Why high-performance work systems pay off. London, ILR Press
-
Behrens, R. et al. (2010): Handbuch Nachhaltige Betriebsratsarbeit. Arbeitspapier 194. Hans-Böckler-Stiftung
-
Beile, J.; Vitols, K. (2018): Nachhaltigkeitskompass. Ein Wegweiser für Arbeitnehmervertreter / innen in Aufsichtsräten. Mitbestimmungspraxis, 16. Hans-Böckler-Stiftung
- Breuer, H. et al. (2018): Sustainability-Oriented Business Model Development: Principles, Criteria and Tools. International Journal for Entrepreneurial Venturing, 10(2): 256–286
- Bungard, P. (Hrsg.)(2018): CSR und Geschäftsmodelle: Auf dem Weg zum zeitgemäßen Wirtschaften. Management-Reihe Corporate Social Responsibility. Springer
- del Brio, J. et al. (2007): Management and employee involvement in achieving an environmental action-based competitive advantage: an empirical study. International Journal of Human Resource Management, 18(4): 491–522
-
Faisal, S. (2023): Green Human Resource Management—A Synthesis. Sustainability, 15(3): 2259
- Handfield, R. et al. (2001): Integrating Environmental Concerns into the Design Process: The Gap between Theory and Practice. IEEE Transactions on Engineering Management, 18(2): 189– 208
- Haunschild, A. et al. (2021): Nachhaltigkeit durch Mitbestimmung“. Studienbericht. Study 452. Hans-Böckler-Stiftung
- Iraldo, F. et al. (2017): Greening competitiveness for hotels and restaurants. Journal of Small Business and Enterprise Development, 24(3): 607–628
- Klassen, R.; McLaughlin, C. (1993): TQM and Environmental Excellence in Manufacturing. Industrial Management and Data Systems, 93: 14– 22
- Mahdy, F.; Alqahtani, M.; Binzafrah, F. (2023): Imperatives, Benefits, and Initiatives of Green Human Resource Management (GHRM): A Systematic Literature Review. Sustainability, 15(6): 4866
- Moratis, L. et al. (Hrsg.)(2018): Sustainable Business Models: Principles, Promise, and Practice. CSR, Sustainability, Ethics & Governance. Springer International Publishing
-
Paulet, R. et al. (2021): A Meta‐review of 10 Years of Green Human Resource Management: Is Green HRM Headed towards a Roadblock or a Revitalisation? Asia Pacific Journal of Human Resources, 59(2): 159–83
- Polonsky, M. et al. (1998): Developing Green Products: Learning from Stakeholders. The Journal of Sustainable Product Design, April: 7 –21
- Schaltegger, S. et al. (2012): Business Cases for Sustainability: The Role of Business Model Innovation for Corporate Sustainability. International Journal of Innovation and Sustainable Development, 6(2): 95-11
-
Tariq, S. et al. (2016): Green Employee Empowerment: A Systematic Literature Review on State-of-Art in Green Human Resource Management. Quality & Quantity, 50(1): 237–269
- Wehrmeyer, W. (Hrsg.)(1996/2017): Greening People. Human Resources and Environmental Management. Routledge
Bildnachweis
- Beitragsbild: ©bamagal, unsplash lizenzfrei
- Planetare Grenzen: ©Felix Joerg Mueller, CC BY-SA 4.0
- Akteursgruppen: ©Michael Schneider für die unternehmensdemokraten
Lieber Andreas,
Danke für Deinen wieder mal top geschriebenen Artikel!
Möglicherweise möchtest Du die aktualisierte Situation darstellen https://www.stockholmresilience.org/research/planetary-boundaries.html
Möchte die Themenstellung nutzen und Dir und allen Interessierten meine Ausarbeitungen verlinken https://www.researchgate.net/publication/356188209_Organizational_traits_for_integrating_sustainability_in_small_organizations_within_the_European_Union
Umfangreich und Englisch, aber hoffentlich eine Fundgrube für die Eine bzw. den Anderen 🙂
Hier noch ein interessanter Artikel zum MitarbeiterInnen Empowerment https://www.researchgate.net/publication/343702447_Sustainability_empowerment_in_the_workplace_determinants_and_effects
Alles Liebe und mach weiter so!
Stefan
Lieber Stefan,
ganz herzlichen Dank für Deine positive Rückmeldung und die tollen Links. Habe eben die aktualisierte Fassung der planetaren Grenzen eingebaut und Dich noch in einer Fußnote hinzugefügt.
Die Masterarbeit sieht interessant aus, hast Du dazu schon eine Zusammenfassung irgendwo publiziert? Falls nein oder Du noch eine andere Version veröffentlichen willst, könnten wir über die Option reden, dass hier bei uns im Blog zu machen.
Liebe Grüße
Andreas