ZOON e.V. in Gründung. Eine Initiative der Unternehmensdemokraten

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Es gibt jetzt und in den nächsten Jahrzehnten eine Menge ernsthafter Herausforderungen. Als unternehmensdemokraten haben wir uns bislang um soziale und ökologische Transformationen innerhalb von Organisationen gekümmert. Das werden wir auch weiterhin machen. Aber nun wird es Zeit, auch für die Gesellschaft tätig zu werden.

Der Anfang

Die Initiatorin, Melissa Pirouzkar-Moser

Ende November bekam ich bei LinkedIn einen Hinweis auf das großartige Buch “Der arbeitende Souverän” des deutschen Sozialphilosophen Axel Honneth. Diese Buchempfehlung hatte umgehend mein Interesse geweckt, die Leseprobe war faszinierend und das Buch gehört für mich seit dem zu den wichtigsten Werken rund um Unternehmensdemokratie. Dieser Tipp kam von Melissa Pirouzkar-Moser, mit der ich dadurch ins Gespräch kam. Schnell fanden wir sowohl über die Demokratisierung der Arbeit als auch deren Einbettung in unsere Demokratie zu einer fortlaufenden intensiven Auseinandersetzung. 

Im Zuge unserer Diskussionen und ergebnisoffenen Arbeit an einem ziemlich großen Miro-Board äußerte Melissa dann irgendwann, dass sie schon länger von der Gründung einer NGO träumte. Das löste schnell Resonanz bei mir aus, da ich schon einige Zeit nicht mehr zufrieden damit war, lediglich innerhalb der Organisationsgrenzen etwas zu verändern und zu bewegen. Wer unseren Blog in den letzten 2-3 Jahren verfolgt hat, dürfte gemerkt haben, dass ich zunehmend mehr politische und gesellschaftliche Themen behandelte, die nicht mehr im engeren Sinn in den Bereich von Organisationsentwicklung gehören. Ohne damals schon einen Plan gehabt zu haben, konnte ich nicht umhin, diverse Beiträge zu veröffentlichen, die keinen unmittelbaren praktischen Nutzen für Transformationsprozesse mehr haben.

Die Idee

Nun finden sich einige Puzzlesteine zusammen und langsam entsteht ein schlüssiges Bild. Melissa und ich begannen zunächst zu zweit weit unter dem Radar an ihrer Idee einer NGO zu arbeiten. Schnell fanden wir heraus, dass wir drei Themen in den Fokus dieser NGO stellen wollen: 

  • Demokratie
  • Vielfalt 
  • Nachhaltigkeit

Wir sind davon überzeugt, dass diese drei Themen nicht unabhängig voneinander bedacht geschweige denn entwickelt werden können. Dazu nur ein Beispiel: Durch die Klimakrise werden in Afrika zunehmend mehr Areale lebensfeindlich. Das führt in den nächsten Jahrzehnten zu einem Anstieg der Migration nach Deutschland, der demokratisch verarbeitet werden muss, sofern wir nicht in autokratische Gefilde zurück wollen. Das ist wiederum nur möglich, wenn wir die vielfältigen Lebensumstände der betroffenen Bürger:innen und Klimaflüchtlinge beachten und in die gesellschaftliche Gestaltung integrieren. Aus unserer Sicht zeigt dieses Beispiel recht simpel die unhintergehbaren Zusammenhänge. 

Das Momentum

Beta-Website des ZOON e.V. in Gründung
Klick auf Bild führt zur Website

Nach unseren ersten noch tastenden Diskussionen im Dezember 2023 folgte Anfang Januar 2024 die Veröffentlichung der Deportationsaffäre. Zwei bis drei Wochen später begannen die ersten Unternehmen Stellungnahmen zu veröffentlichen, um sich mehr oder weniger deutlich entweder von rechtsextremen Gedankengut und Handlungen abzugrenzen (“Brandmauer”) oder für eine offene, vielfältige, respektvolle und lebensbejahende Gesellschaft zu votieren. Nach den ersten noch eher zögerlichen Stellungnahmen kam es fast einem Dammbruch gleich und man kam kaum noch hinterher, welche Firmen sich plötzlich politisch positionierten – im umfassenden Sinn und nicht parteipolitisch. Es entstanden Initiativen wie #Zusammenland, #WirtschaftFürDemokratie oder #thueringenweltoffen unter deren Dach sich hunderte von Unternehmen versammelten. 

Diese Entwicklung hatten Melissa und ich recht genau beobachtet, inklusive des großen bürgerlichen Engagements in Form der vielen Demonstrationen zum Erhalt und der Entwicklung unserer Demokratie, die nach der CORRECTIV Enthüllung der Deportationsphantasien der AfD in ganz Deutschland durchgeführt wurden. Infolgedessen  wurde uns schnell klar, dass es mit den Stellungnahmen und Demonstrationen, die wir in München und Berlin miterlebten, nicht getan ist. So entstanden wichtige Fragen: 

  • Was kommt nach den Stellungnahmen und Demos?
  • Was braucht es, damit wir unsere Demokratie, aber auch unsere Vielfalt und Nachhaltigkeit wirklich weiterentwickeln können? 
  • Wie können wir zumindest potentiell viele Menschen erreichen?
  • Welches Umfeld oder welcher Kontext könnte dafür hilfreich sein?
  • In welchen Bereichen wird zur Entwicklung unserer drei Themen noch zu wenig angeboten?

Das Wirkungsfeld

Da wir beide durch unsere Berufe über langjährige Erfahrungen mit arbeitgebenden Organisationen verfügen, lag die Frage nahe, ob es sinnvoll sein könnte, unsere drei identifizierten Themenfelder innerhalb dieser Organisationen zu platzieren und wie das jenseits von Organisationsentwicklung begründet werden könnte. Im Zuge meiner intensiven Auseinandersetzung mit dem Nachhaltigkeits- und demokratischen Spillovereffekt in den letzten zwei Jahren wurde mir schon vor längerem klar, dass unsere Erwerbsarbeit der größte zusammenhängende Begegnungs- und Sozialisationsraum für Erwerbstätige ist. Diese Bevölkerungsgruppe umfasst aktuell immerhin rund 44 Millionen Bürger:innen, wenn wir die Soloselbstständigen abziehen. Früher oder später finden wir alle Bürger:innen bei der Erwerbsarbeit, außer Einigen der rund 809.000 Privatiers, die nicht mehr arbeiten müssen. Die Idee, arbeitgebende Organisationen als Zugangskanal für Bürger:innen zu nutzen, ist also ausgesprochen plausibel.

Denn schließlich sind die Mitarbeitenden zugleich auch immer Bürger:innen. Sie können im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit als Bürger:innen angesprochen werden, um ihnen ein Angebot zur Entwicklung von Demokratie, Vielfalt und Nachhaltigkeit zu unterbreiten. Sie befinden sich bei der Arbeit in einem Umfeld, in dem sie zumeist mit deutlich mehr Vielfalt konfrontiert sind, als in ihrem Privatleben. Dort suchen wir uns unsere Freunde und Bekannte aus, mit denen wir unsere Zeit verbringen. Wenn wir die Ansichten, egal ob politisch, gesellschaftlich, ökologisch, ökonomisch, religiös etc. nicht mögen, dann freunden wir uns mit diesen Menschen eher nicht an und verzichten darauf, sie zu uns nach Hause einzuladen. Aber bei der Arbeit müssen wir auch mit Menschen zusammenarbeiten, deren Weltbilder, Haltungen und Verhaltensweisen wir sehr unangenehm finden. Und zwar bitte so, dass unsere Arbeit auch erfolgreich ist. Wir können also die höhere Vielfalt in der Erwerbsarbeit nutzen, um Demokratie, Vielfalt und Nachhaltigkeit weiterzuentwickeln.

Der Wirkmechanismus

Stella Schüler

Durch unternehmerische Stellungnahmen alleine erreicht allerdings niemand eine Entwicklung der inneren Haltung, Kompetenzen und Selbstwirksamkeitserwartung bei den  Mitarbeitenden als Bürger:innen. Nun ist es nicht so, dass es noch keine Angebote zur Demokratieentwicklung in Unternehmen gibt. In den letzten Jahren entstanden Anbieter wie “Wirtschaft für ein weltoffenes Sachsen” oder der “Business Council for Democracy (BC4D)”. Dort werden wichtige, aktuelle Themen wie Verschwörungsmythen, Desinformation, Hassrede, Rechtsextremismus etc. in Trainingsformaten als Wissensvermittlung und Kompetenztrainings an die Zielgruppe herangetragen. 

Unserer Auffassung nach ist Demokratie Beziehungsarbeit. Deshalb brauchen wir zudem Lern- und Entwicklungsräume mit emotionalen Erlebnissen, bei denen sich Menschen in Präsenz begegnen und sich intensiv auch mit weiteren Fragestellungen und Themen befassen. Aus diesem Grund gestalten wir diese Lern- und Entwicklungsräume so, dass darin lebendige, emotionale und intensive Erfahrungen möglich werden. Das streben wir durch Ansätze wie Gamification, Serious Games oder künstlerische Methoden an. Teils decken wir das durch eigene Erfahrungen und Expertise ab (ich leitete beispielsweise mehrere Jahre ein eigenes Unternehmenstheater), teils holen wir das Know-How von extern rein, zum Beispiel durch unsere geschätzte Kollegin Stella Schüler, ehemalige Professorin für Game Design und Storytelling.

Das Prototyping

Die erste ZOON Experience bei der Firma Ohrmann Gmbh
Website der Ohrmann GmbH. Klick führt dorthin

Obwohl wir noch im formalen Gründungsprozess sind, läuft schon das erste Projekt. Durch einen fruchtbaren Zufall landete mein letztes Buch “Alle Macht für niemand. Aufbruch der Unternehmensdemokraten” auf dem Tisch von Alrun Ohrmann, der Geschäftsführerin des international erfolgreichen mittelständischen Maschinenbauers Ohrmann Gmbh. So kamen wir mit ihr ins Gespräch und waren uns schnell einig, dass wir gemeinsam unseren Ansatz bei ihnen im Unternehmen testen wollen.

Mittlerweile sind die ersten beiden Workshops unter der Leitung von Stella gelaufen. Im ersten haben wir herausgearbeitet, was die Mitarbeitenden als Bürger:innen idealerweise nach der Teilnahme an einem durch uns gestalteten Erfahrungsraums gelernt haben sollen. Danach befähigte uns Stella mit Ihrer “Masterclass Game Thinking” gemeinsam mit Ihr einen ersten Prototypen zu entwickeln. Unsere Premiere feiern wir dann am 27. September. Dazu bald mehr auf unseren Social Media Kanälen zoon_earth (Insta) und bei LinkedIn unter ZOON e.V.

Abschließend sei noch so viel verraten: Bei uns können nach der erfolgten Gründung nicht nur “natürliche Personen” sondern auch Unternehmen und andere Organisationen Mitglied und so Teil einer Community werden, die politische und soziale Verantwortung wirklich leben und voranbringen wollen. 

 

Stay tuned. 

 

Herzlich

Andreas

 

Bildnachweis

  • Melissa: ©privat mit freundlicher Genehmigung
  • Website ZOON: ©ZOON e.V. in Gründung
  • Stella Schüler: ©privat mit freundlicher Genehmigung
  • Website Ohrmann: ©Ohrmann GmbH mit freundlicher Genehmigung

Comments (3)

Das klingt wirklich sehr interessant & inspirierend, lieber Andreas.
Und da auch wir mit unserem Podcast von Servant Politics in eine neue & weitere Richtung gehen werden, freue ich mich auf Den Austausch mit Dir/Euch. Bis bald also und herzliche Grüße,
Claudia

Liebe Claudia,

das freut uns sehr, dass Du das interessant und sogar inspirierend findest. Bin sehr gespannt, wie Ihr mit Servant Politics weitermacht. Da wird ein Austausch richtig spannend.

Herzliche Grüße
Andreas

Liebe Claudia und lieber Andreas.
Ich denke, dass sich Eure Formate bestens ergänzen.
Ich wünsche Euch beiden viel Erfolg.

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